Achter Artikel. Der Name „Gott“ bezeichnet die Natur Gottes.
a) Der Name „Gott“ scheint nicht ein Name der göttlichen Natur zu sein. Denn: I. Damascenus schreibt (in Iib. orth. fidei cap. l2.): „Der Name Gott (Θεός) kommt von θεῖν d. i. erhalten und erwärmen alles, was geschaffen ist; oder von αἴθειν, d. h. glühen, denn unser Gott ist ein verzehrendes Feuer; oder von θεᾶσθαι, d. h. erblicken.“ Dies aber gehört alles zur Thätigkeit. Dieser Name „Gott“ (Θεός) also bezeichnet vielmehr die Thätigkeit wie die Natur Gottes. II. Demgemäß wird etwas benannt, wonach es erkannt wird. Gottes Natur aber ist unbekannt. Also ist „Gott“ kein Name für die göttliche Natur. Auf der anderen Seite sagt Ambrosius (de fide, lib. 2. prol. cap. 3.), daß der Name „Gott“ der Name für die göttliche Natur sei.
b) Ich antworte, daß jenes Moment, von dem der Name hergenommen ist, nicht immer zusammenfällt mit jenem anderen, wozu er beigelegt wird. Wie wir nämlich das Wesen eines Dinges aus dessen Eigenschaften und Thätigkeiten erkennen, so benennen wir auch die Substanz eines Dinges bisweilen von einer Eigenschaft oder Thätigkeit her. So benennen wir das Wesen der Zufriedenheit von einer mehr äußerlichen Bedingung oder Eigenschaft her, daß nämlich nur, wenn das Geschöpf in den ihm angewiesenen Grenzen „eingefriedet“ bleibt, es „Zufriedenheit“ hat. Wir bezeichnen jedoch mit dem Worte das Wesen der Zufriedenheit selber: die innere Ruhe und Freude. Wenn aber Dinge vor uns stehen, welche an und für sich durch ihr eigenes Wesen unbekannt sind, wie „Wärme“, „Kälte“, „Weiße“ u. dgl., so benennen wir sie nicht von etwas anderem her; und somit fällt in diesen Dingen zusammen das Moment, von woher der Name genommen wird und jenes andere Moment, wozu er dient. Gott nun ist seiner Natur nach uns unbekannt. Er wird uns erst bekannt aus seiner Thätigkeit oder aus seinen Werken. Von da her also nur können wir Ihn benennen. Sonach ist dieser Name „Gott“ eine Benennung der Thätigkeit Gottes, wenn man in Betracht zieht das Moment, von dem her der Name beigelegt ist. Denn derselbe wird genommen von der allgemeinen Vorsehung der Dinge. Alle nämlich, die von Gott sprechen, wollen jenes Wesen Gott nennen, welches Fürsorge trägt für alles Sein. Deshalb sagt Dionysius (de div. nom. cap. 12.): „Die Gottheit ist es, welche alles sieht in ihrer Fürsorge und vollkommenen Güte.“ Van da her also ist der Name genommen und Gott beigelegt; derselbe dient aber dazu, die göttliche Natur zu bezeichnen. Daraus ergiebt sich leicht die Antwort auf die Einwürfe: I. Was Damascenus in der angeführten Stelle aufzählt, das alles gehört zur Vorsehung, von der aus der Name „Gott“ genommen worden. II. Insoweit wir die Natur eines Dinges aus dessen Eigenschaften und Thätigkeiten zu erkennen vermögen, können wir dasselbe auch benennen. Weil wir also z. B. aus dem Umstände, „eingefriedet“ d. h. innerhalb der vom Schöpfer gesteckten Grenzen zu bleiben, das Wesen der Zufriedenheit erkennen und demnach wissen können, was Zufriedenheit sei; so bezeichnet dieses Wort „Zufriedenheit“ das Wesen oder die Natur selber der Zufriedenheit. Denn es drückt aus den Begriff der Zufriedenheit, durch welchen wir wissen, was Zufriedenheit sei; bezeichnet doch der Name, welcher den Begriff einschließt, immer auch den formalen Seinsgrund, das Wesen also im Dinge selbst. Aus den Werken Gottes aber können wir nicht wissen, was Gott an sich in seiner innersten Natur sei; sondern nur, daß er als das erste Princip aller Dinge auch jegliche Vorzüge der Kreaturen in hervorragendstem Maße in Sich einschließt. Und in dieser Weise bezeichnet der Name „Gott“ die göttliche Natur als ein über Alles hervorragendes Sein, welches der Urgrund von allem und von allen geschöpflichen Wesen der Natur nach getrennt ist. Das wollen die bezeichnen, welche den Namen „Gott“ aussprechen.
