Zweiter Artikel. Das Ergötzen an sich vollzieht sich nicht in einer gewissen Zeitdauer.
a) Dementgegen ist: “ I. Das Ergötzen eine gewisse Bewegung. Jede Bewegung aber dauert eine gewisse Zeit. II.Es giebt Ergötzungen, von denen gesagt wird, sie seien anhaltend (morosae); das bezieht sich aber auf die Zeit. III. Alle Leidenschaften der Seele sind der nämlichen „Art“. Einige aber vollziehen sich in einer gewissen Zeitdauer; also alle. Auf der anderen Seite schreibt Aristoteles (10 Ethic. 3.): „Nicht gemäß irgend welcher Zeit wird das Ergötzen ausgesagt.“
b) Ich antworte, es könne etwas innerhalb einer gewissen Zeit sein: entweder an und für sich oder mit Rücksicht auf etwas Anderes, Äußerliches. Denn da die Zeit nichts Anderes ist wie die Zahl der aufeinanderfolgenden Bewegungen, so sind jene Wesen recht eigentlich innerhalb der Zeit und ihr unterworfen, die in ihrer Natur eine Auseinanderfolge oder etwas zur Aufeinanderfolge Gehöriges einschließen, wie die Bewegung, die Ruhe, das Sprechen u. s. w. Mit Rücksicht auf etwas Anderes, Äußerliches aber sind jene Dinge in der Zeit, die in ihrer Wesensnatur zwar keinerlei Aufeinanderfolge einschließen; jedoch hängen sie an oder unterliegen sie einem in der Aufeinanderfolge begriffenen Sein. So z. B. daß der Mensch ist, dies schließt in seinem Wesen keine Aufeinanderfolge ein; denn „Mensch zu sein“ ist keine Bewegung, sondern vielmehr der Abschluß der Erzeugung. Weil jedoch das menschliche Sein den verändernden Ursächlichkeiten unterliegt; deshalb ist auch dies, daß ein Mensch Sein hat, in der Zeit. Das Ergötzen nun ist an und für sich, im eigentlichen Sinne, per se, nicht innerhalb einer Zeitdauer; denn es ist eine Freude am bereits erlangten Gute, das als der Abschlußpunkt für die Bewegung erscheint. Unterliegt aber das erlangte Gut der Veränderung, so ist das Ergötzen mit Rücksicht auf dieses Äußerliche, per accidens, innerhalb einer Zeitdauer; und ist dieses Gut unveränderlich, so ist das Ergötzen in keiner Weise in der Zeit.
c) I. „Bewegung“ hat eine zweifache Bedeutung (3. de anima). Es wird zuerst damit gekennzeichnet „die Thätigkeit des Unvollendeten“, was noch etwas werden kann, insoweit es im Zustande des Vermögens zu etwas hin ist; solche Bewegung besteht in der Aufeinanderfolge ihrem Wesen nach, ist deshalb in der Zeit. Eine andere Bedeutung der Bewegung ist die für die „Thätigkeit des Vollendeten“, was und soweit es thatsächliches Sein hat und nicht mehr bloß Vermögen; wie das geistige Erkennen, das Wollen, Empfinden, Ergötzen. Und eine solche Bewegung ist an und für sich, per se betrachtet, nicht in der Zeit; denn ihr Wesen schließt keine Aufeinanderfolge ein. II. Das Ergötzen heißt „anhaltend“ (morosa) oder „kurz“ mit Rücksicht auf den Gegenstand, dem es anhaftet, also per accidens; und so ist es auch per accidens in der Zeit. III. Die anderen Leidenschaften haben nicht als ihren Gegenstand das erreichte Gut, wie dies beim Ergötzen der Fall ist. Also in höherem Grade nehmen sie teil am Charakter des Unvollendeten wie das Ergötzen; und so kommt es in höherem Grade dem Ergötzen zu, nicht in der Zeit zu sein.
