Vierter Artikel. Es giebt auch ein Ergötzen im rein geistig-vernünftigen Begehren.
a) Dagegen spricht bei Aristoteles: I. 1. Rhet. 11., wo es heißt: „Das Ergötzen ist eine Bewegung im sinnlichen Teile.“ II. Das Ergötzen ist eine Leidenschaft; jede Leidenschaft aber ist im sinnlichen Teile. III. Das Ergötzen ist gemeinsam uns und den Tieren. Also giebt es keines im rein geistigen Begehren. Auf der anderen Seite steht geschrieben Ps. 36.: „Ergötze dich am Herrn,“ Gott aber ist reiner Geist.
b) Ich antworte, es gebe, wie gesagt, ein Ergötzen, welches der vernünftigen Auffassung folgt. Gemäß der vernünftigen Auffassung aber ist nicht nur das sinnliche Begehren in Bewegung oder in Thätigkeit, indem es sich auf ein besonderes, beschränktes Gut richtet; sondern auch das geistig-vernünftige, das „Wille“ genannt wird. Und danach ist im „Willen“ Ergötzen, das hier „Freude“ heißt; freilich ist dies kein sinnliches, durch Körperliches getragene Ergötzen. Der Unterschied besteht darin, daß das letztere niemals sich findet ohne eine körperliche Veränderung im betreffenden Organe; während das geistig-vernünftige Ergötzen nur einfach die Thätigkeit des geistigen Willens ist. Deshalb sagt Augustin (14. de civ. Dei 6.): „Begehren und Freude ist nichts Anderes als der Wille selber, wenn er erreicht hat, was wir wollen.“
c) I. Das „im sinnlichen Teile“ steht in dieser Stelle für „Auffassung“ im allgemeinen. Denn (10. Ethic. 4.) an einer anderen Stelle sagt Aristoteles: „Gemäß einem jeden Sinne ist Ergötzen und ähnlich auch gemäß der Vernunft und gemäß dem geistigen Forschen.“ Oder er definiert eben das Ergötzen des sinnlichen Begehrens. II. Das sinnliche Ergötzen allein ist Leidenschaft; denn es ist mit einem Eindrucke in den körperlichen Teil, also mit einer Veränderung desselben verbunden. Im vernünftigen Teile ist es eben rein Thätigkeit; und so ist es in Gott und den Engeln. Deshalb sagt Aristoteles (7 Ethic. ult.): „Gott freut sich an seiner gänzlich einfachen Thätigkeit;“ und Dionysius (in fine de coelo. hier.): „Die Engel sind nicht zugänglich unserem leidenschaftlichen Ergötzen, sondern freuen sich zugleich mit Gott gemäß der Freude der Unvergänglichkeit und Unveränderlichkeit.“ III. In uns ist nicht nur jenes Ergötzen, das wir mit den Tieren gemeinsam haben; sondern auch jenes, welches wir mit den Engeln gemeinsam haben. Deshalb sagt Dionysius l. c.: „Heilige Menschen nehmen oft teil am Ergötzen der Engelgewalten.“
