Zweiter Artikel. Trauer und Schmerz besagen das Gleiche.
Dies scheint nicht. Denn I. Augustinus sagt (14. de civ. Dei 7.) : „Schmerz wird mehr gesagt von Körperlichem; Trauer von der Seele.“ II. Der Schmerz geht nur auf ein gegenwärtiges Übel, die Trauer aber geht auch auf das vergangene und das zuküftige; wie die Reue der Schmerz ist über das vergangene Übel, und die Angst wegen eines künftigen Übels besteht. III. Der Schmerz scheint nur dem Tastsinne zu folgen, während die Trauer aus allen sinnlichen Auffassungen hervorgehen kann. Also hat die Trauer eine umfassendere Bedeutung wie der Schmerz. Auf der anderen Seite schreibt der Apostel (Röm. 9): „Eine große Trauer habe ich und der Schmerz meines Herzens ist ein beständiger;“ nimmt also Trauer und Schmerz für das Nämliche.
b) Ich antworte, der Schmerz sowohl wie das Ergötzen können von einer doppelten Aart Auffassung hervorgehen: von der Auffassung des äußeren Sinnes oder von der inneren Auffassung aus, sei dies die der Vernunft oder der Einbinldungskraft. Die innere Auffassung nun umfaßt mehr als die äußere. Denn was auch immer der äußere Sinn erfaßt, das wird ebenfalls im inneren erfaßt; nicht aber umgekehrt. Jenes Ergötzen also allein, welches sich von der inneren Auffassung ableitet, wird „Freude“ genannt (Kap. 31, Art. 3.); und gleichermaßen wird jener Schmerz, der sich von der inneren Auffassung aableeite, „Trauer“ genannt. So also ist die Trauer eine Gattung des Schmerzes, wie Freude eine Gattung des Ergötzens ist.
c) I. Augustin spricht hier mehr vom gewöhnlichen Sprachgebrauche. Denn das Wort „Schmerz“ wird lieber gebraucht von körperlichen Schmerzen, die mehr gekannt sind, als die geistigen. II. Der äußere Sinn erfaßt nur das Gegenwärtige. Die innere Auffassungskkraft aber geht auf die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Und deshalb wird „Trauer“ in der letzteren Ausdehnung gebraucht, „Schmerz“ nur vom gegenwärtigen Übel. III. Die Wahrnehmungen des Tastsinnes sind schmerzhaft; nicht nur insoweit sie nicht im Verhältnisse stehen zur Verfassung der auffassenden Kraft, sondern insoweit sie auch der Natur widerstreiten. Die Wahrnehmungen der anderen wahrnehmenden Sinne aber haben Letzteres nicht, außer insofern sie in Beziehung stehen zum Tastsinne. Der Mensch allein also, der vollendete Kentnis besitzt, ergötzt sich in der Wahrnehmeung der anderen Sinne an sich sselbst betrachtet; die Tiere ergötzen sich nur in denselben, soweit sie Beziehungen haben zu den Wahrnehmungen des Tastsinnes. Und deshalb spricht man nicht von Schmerz, soweit der4selbe der Natur widerstrebt, bei den anderen Sinnen; sondern da ist mehr Trauer, die der Freude entgegensteht. Wenn also „Schmerz“ im allgemeinen genommen wird, so ist „Trauer“ eine Gattung derselben; wird er für den körperlichen Schmerz insbesondere genommen, so steht er gegenüber der Trauer, die der inneren Auffassung folgt.
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