Dritter Artikel. Die Trauer steht im Gegensatze zur Ergötzung.
a) Das scheint nicht sein zu könen. Denn: I. Das eine Glied in einem Gegensatze verursacht nicht das andere. Trauer aber ist oft die Ursache von Eergötzung nach Matth. 5: „Selig, die trauern, denn sie werden getröstet werden.“ II. Manchmal ist der Schmerz oder die Trauer selber ergötzlich, wie Augustin (3. conf. 2.) sagt: „Weinen ist bitter, und doch ergötzt es bisweilen.“ Also besteht da kein Gegensatz. III. Das eine Glied in einem Gegensatze ist nicht das Subjekt oder der Trägfer des anderen. Vom Schmerze aber sagt Augustin (de poen. 13.): „Der reuige empfinde stets Schmerz und am Schmerze freue er sich.“ Und Aristoteles sagt umgekehert: „Der Schlechte empfindeet Schmerz, weil er sich ergötzt hat.“ (9 Ethic. 4.) Auf der anderen Seite sagt Augustin (14. de civ. Dei 6.): „Die Freude ist der Wille bei der Zustimmung zu dem, was wir wollen.“ Zustimmung aber und Zurückweisen ist ein Gegensatz.
b) Ich antworte mit Aristoteles (10 Metaph.), daß ein Gegensatz nichts Anderes ist als die Verschiedenheit in der bestimmenden Form. Die Form aber für die Seinsgattung der Leidenschaften und überhaupt der Bewegung kommt vom Gegenstande. Da also der Gegenstand des Ergötzens, das gegenwärtige Gute, gegenübersteht dem Gegenstande der Trauer, dem gegenwärtigen Übel, so ist hier offenbar ein Gegensatz.
c) I. Mit Rücksicht auf etwas Äußerliches, per accidens, kann das eine Glied des Gegensatzes die Ursache des anderen sein. So kann auch die Trauer verursachen das Ergötzen: einmal, insofern die Trauer über die Abwesebheit einesw Gutes oder über die Gegenwart des Gegenteils die Sehnsucht schärft, um das fehlende Gut zu suchen, wie der Durstende umsomehr nach Wasser sucht je größer sein Durst ist; dann. insofern jemand aus großer Sehnsucht nach einem Gute es übernimmt, das Traurige zu ertragen, damit er nur das Gesuchte erhalte. Und in beider Weise dient die Trauer in dieser Zeit der Erreichung der ewigen Herrlichkeit. Denn die Trauer über die Sünden oder über den Aufschub des Besitzes der Seligkeit verdient ewigen Trost; und die Hoffnung auf den Besitz des höchsten Gutes macht die Seele bereit, Mühe und Trübsal hier zu tragen. II. Der Schmerz kann mit Rücksicht auf einen äußeren Umstand ergötzlich sein; wie wenn er mit sich verbunden hat die Bewunderung, was bei den Schauspielen stattfindet; oder wenn er die Erinnerung wachruft an das geliebte Gute und Liebe einflößt zu dem, über dessen Abwesenheit man trauert. Da also die Liebe etwas Ergötzliches ist, so wird zugleich Alles, was aus der Liebe folgt, auch der Schmerz, insoweit ergötzlich. In den Schauspielen kann in dieser Weise ebenfalls der Schmerz ergötzlich sein, insoweit da eine Liebe empfunden wird zu den Personen, die erwähnt werden. III. Der Wille und die Vernunft haben zum Gegenstande ihrer Thätigkeit ihre eigenen Akte; und wenn diese Akte unter dem Gesichtspunkte desGuten und Bösen genommen werden, kann da die Trauer Subjekt oder Gegenstand der Freude sein und umgekehrt; insofern also der Akt selbst als ein guter oder böser aufgefaßt wird.
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