Siebenter Artikel. Der innere Schmerz ist größer wie der körperliche.
a) Dementgegen wird geltend gemacht: I. Der äußere Schmerz rührt von einer Ursache her, welche die gute Zusammensetzung des Körpers stört, wo das Leben ist; der innere Schmerz hat zur Quelle die Einbildung irgend eines Übels. Das Leben wird aber mehr geliebt, wie alles eingebildete Gute. Also wird der körperliche Schmerz mehr gefühlt. II. Eine wirkliche Sache bewegt mehr, wie deren Ähnlichkeit. Der äußere Schmerz kommt aber von der wirklichen Verbindung mit etwas Widerstrebenden; der innere nur von einer aufgefaßten Ähnlichkeit des Widerstrebenden. III. Die Ursache wird am besten ermessen aus der Wirkung. Von äußeren Schmerzen aber stirbt jemand leichter wie von inneren. Also der äußere Schmerz ist größer und wird mehr geflohen wie der innere. Auf der anderen Seite steht Ekkli. 25.: „Jegliches Leid ist Herzenstraurigkeit und jegliche Bosheit ist Weiberbosheit.“ Wie also die Bosheit des Weibes nach dieser Stelle aller anderen Bosheit voransteht, so ist der innere Schmerz stärker als der äußere.
b) Ich antworte; der innere und der äußere Schmerz haben das gemeinsam, daß beide in der begehrenden Kraft sind. Sie sind unterschieden in zwei Punkten: 1. Die Ursache des äußeren Schmerzes ist ein gegenwärtiges Übel, was dem Körper widerstreitet; während die Ursache des innerlichen Schmerzes ein Übel ist, was dem Begehren widerstreitet. 2. Der äußerliche Schmerz folgt der Auffassung der äußeren Sinne, zumal des Tastsinnes; der innerliche folgt der innerlichen Auffassung, sei es der Einbildungskraft sei es selbst der Vernunft. Werden nun zuvörderst die beiden Ursächlichkeiten verglichen, so hat der beiderseitige Schmerz wohl seinen Sitz in der begehrenden Kraft. Aber die Ursache des inneren Schmerzes ist etwas, was dem inneren Begehren selber widerstreitet; wogegen der äußere Schmerz nur deshalb dem Begehren widerstreitet, insoweit er dem Körper zuwider. Immer aber steht an der ersten Stelle, was an und für sich etwas ist, als was bloß auf Grund von etwas Anderem ist. Also ist da der innere Schmerz stärker. Ähnlich ist die Erfassung seitens der Einbildungskraft und der Vernunft eine höhere als die Erfassung seitens der äußeren Sinne. Also schlechthin gesprochen ist der innere Schmerz stärker wie der äußere. Dieswird auch durch die Thatsache bezeugt, daß manche geradezu äußere Schmerzen auf sich nehmen, um innere zu vermeiden; und insofern der äußere Schmerz dem inneren Begehren nicht widerstreitet, wird er gewissermaßen auf Grund der inneren Freude angenehm und ergötzlich. Bisweilen aber ist der äußere Schmerz zusammen mit dem inneren; und dann wird aus der Verbindung selber der ganze Schmerz größer. Denn was auch immer dem Körper zuwider ist, kann auch zuwider sein dem innerlichen Begehren; und was der äußere Sinn auffaßt, kann auch erfaßt werden mit der Vernunft und der Einbildungskraft; aber nicht umgekehrt. Und deshalb wird Ekkli. 25. ausdrücklich gesagt: „Jegliches“…, weil auch die Schmerzen äußerlichen Leides inbegriffen werden in der inneren Herzenstraurigkeit.
c) I. Der innerliche Schmerz kann ebenfalls darüber sein, was dem Leben bedrohlich ist. Nicht also gemäß den verschiedenen Übeln muß der innere Schmerz mit dem äußeren verglichen werden, sondern danach wie diese Übel als Ursache des Schmerzes sich zum Begehren verhalten. II. Die innerliche Traurigkeit betrifft nicht eine bloße Ähnlichkeit, sondern die wirkliche Sache selbst. Und diese Sache wird um so vollendeter und tiefer erfaßt, je stoffloser und reiner die Ähnlichkeit von ihr ist. Also der innere Schmerz ist größer, weil er von einem größeren Übel verursacht wird; insoweit durch die innere Auffassung das Übel besser erkannt ist. III. Die Veränderungen im Körper werden allerdings in höherem Maße verursacht durch den äußerlichen Schmerz. Denn die Ursache des äußeren Schmerzes schädigt die menschliche Zusammensetzung dem Körper nach, wozu erforderlich ist die Erfassung oder Wahrnehmung von seiten des Tastsinnes; — und ebenso weil der äußerliche Sinn körperlicher ist wie der innerliche, gleichwie das sinnliche Begehren stofflicher ist als das vernünftige. Deshalb also wird, wie oben gesagt (Kap. 31, Art. 4) von seiten der begehrenden sinnlichen Kraft mehr der Körper direkt beeinflußt als von der begehrenden vernünftigen Kraft; und wieder mehr vom äußeren Schmerze wie vom inneren.
