Dritter Artikel. Das Begehren nach Einheit ist Ursache des Schmerzes.
a) Dies scheint nicht. Denn: I. Aristoteles sagt (10 Ethic. 3.): „Diese Meinung, daß die Anfüllung Ursache des Ergötzens sei, das Zerschneiden aber Ursache der Trauer, scheint aus jenen Ergötzungen und Traurigleiten hervorgegangen zu sein, welche zum Gegenstande die Speisen haben.“ Nicht alles Ergötzen aber und nicht alles Trauern geht auf derartiges. Also, da das Anfüllen die Einheit darzustellen scheint, das Zerschneiden die Vielheit, ist nicht im allgemeinen zu sagen, daß die Sehnsucht nach Einheit Ursache des Schmerzes sei. II. Manche Trennung ist ergötzlich, wie dies in der Entfernung alles Überflüssigen erscheint. III. Aus dem nämlichen Grunde erstreben wir die Verbindung mit dem Guten und die Entfernung des Übels. Die Verbindung aber gehört zur Einheit; die Trennung ist das Gegenteil davon. Also ist das Streben nach Einheit nicht mit mehr Recht Ursache des Schmerzes wie das Begehren nach Trennung. Auf der anderen Seite sagt Augustin (3. de lib. arb. 23.): „Aus dem Schmerze, welchen die Tiere fühlen, wird bei der Leitung und Belebung ihrer Körper hinlänglich klar, wie selbst diese Seelen nach der Einheit begehren. Denn was ist der Schmerz anders als ein gewisses Empfinden, was der Trennung und dem Verderben nicht ruhig zusieht.“
b) Ich antworte; in ganz derselben Weise wie die Begierlichkeit nach dem Guten die Ursache des Schmerzes ist, muß auch die Begierde nach der Einheit oder die Liebe zur selben eine Ursache des Schmerzes sein. Denn das Gute für ein jedes Ding besteht in einer gewissen Einheit, insoweit nämlich ein jedes Ding in sich vereint hat alle Elemente, aus denen seine Vollendung erwächst; weshalb auch die Platoniker das Eine als Princip der Dinge ansetzten ebenso wie das Gute. Naturnotwendig somit strebt jegliches Sein nach der Einheit wie nach dem Guten. Wie also die Liebe und die Begierde nach dem Guten Ursache des Schmerzes ist, so ist es auch die Begierde nach der Einheit.
c) I. Nicht alle Einigung vollendet den Charakter des Guten, sondern nur jene, von der das vollendete Sein des Dinges abhängt. Also auch nicht jegliches Begehren nach Einheit ist Ursache des Schmerzes, wie einige meinten, deren Ansicht da Aristoteles ausschließt dadurch daß manche Anfüllungen nicht ergötzlich sind. Denn ein solches Anfüllen widerstrebt dem vollendeten Sein eher als daß es dasselbe herstellte. II. Die Trennung kann ergötzlich sein, wenn sie entfernt, was der Vollendung des Dinges zuwider ist, oder wenn die Trennung eine gewisse Einigung mit sich verbunden hat; wie das sinnlich Wahrnehmbare z. B. mit dem Sinne sich vereint, trotzdem es getrennt ist dem Sein nach. III. Die Trennung des Schädlichen wird begehrt, weil sie die gebührende Einheit und Vollendung schädigt oder entfernt. Immer also ist da das Begehren nach Einheit die erste Ursache des Schmerzes.
