Vierter Artikel. Die Gewalt, der man nicht widerstehen kann, ist Ursache von Schmerz.
a) Das scheint nicht. Denn: I. Was nur in der Gewalt des Wirkenden ist, das ist noch nicht thatsächlich gegenwärtig. Der Schmerz aber geht auf das gegenwärtige Übel. Also ist eine gegenüberstehende größere Gewalt nicht Quell von Schmerz. II. Der Schaden, den man erleidet, ist Ursache von Schmerz; ein solcher kann aber auch von einer geringeren Gewalt kommen. III. Die Ursachen der Thätigleiten im Begehren sind die inneren Neigungen der Seele. Die Gewalt ist aber etwas Äußerliches. Also ist sie nicht Ursache von Schmerz. Auf der anderen Seite sagt Augustin (de nat. boni 20.): „In der Seele verbreitet Trauer der Wille, welcher widersteht einer größeren Gewalt; im Körper verbreitet Trauer der Sinn, der einem mächtigeren Körper widersteht.“
b) Ich antworte, das gegenwärtige Übel sei Ursache der Trauer vom Gegenstande aus. Was also Ursache ist, daß ein solches Übel gegenwärtig geworden, das muß als Ursache von Schmerz oder Trauer angesehen werden. Nun ist es jedoch offenbar, dies sei gegen die Hinneigung des Begehrens, daß es mit einem Übel verbunden ist. Was aber gegen die Hinneigung sich da findet, das kann nur dahin gebracht worden sein durch das Einwirken eines Stärkeren; und deshalb wird die Gewalt des Stärkeren als Ursache des Schmerzes von Augustin betrachtet. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, daß wenn die stärkere Gewalt insoweit einfließt, daß sie die zuerst entgegengesetzte Neigung sich gleichförmig, also zu einer diesem anderen Begehren eigenen macht, daß dann von einem Widerstreit oder einer Gewalt nicht mehr die Rede sein kann. So z. B. wenn das stärkere Einwirkende auf einen schweren Körper, diesem die Neigung nimmt, nach unten zu gehen, also ihn leicht macht, es dann für diesen nicht mehr etwas Gewaltsames, sondern etwas Natürliches sein wird, nach der Höhe zu gehen. Wenn also diese Gewalt im Einwirken die Neigung nimmt, woraus die Trauer folgte, so kann von einer Trauer dann nicht mehr die Rede s,ein. Dies ist nur der Fall, wenn die zum Einwirkenden gegensätzliche Neigung bleibt. Deshalb sagt Augustin bezeichnend: „Der Wille, welcher widersteht. … Widersteht er nicht mehr, sondern stimmt er zu, so hört die Trauer auf.
c) I. Unter „Gewalt“ wird hier verstanden, was thatfächlich einwirkt, nicht bloß dem Vermögen nach. II. Es kann eine Gewalt im Ganzen geringer, aber in einer gewissen Beziehung größer sein und danach schädigen. Ist sie in keiner Weise größer, so ist eine Schädigung und somit eine Verursachung von Schmerz nicht möglich. III. Die äußeren Einflüsse können die Ursache für die Thätigkeiten des Begehrens bilden, insoweit sie den Gegenstand gegenwärtig machen.
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