Vierter Artikel. wie die Furcht das Thätigsein hindert.
a) Sie scheint ein Hindernis für die Thätigkeit zu sein. Denn: I. Das menschliche Wirken hängt von der Vernunft ab. Die Furcht aber verwirrt die Vernunft. II. Wer etwas mit Furcht thut, wird leicht schwach im Wirken; wie jemand, der auf einem in der Höhe befindlichen Balken einherschreitet, leicht fällt; während, wenn der Balken auf der Erde liegt, er mit Sicherheit darauf geht, ohne Furcht zu fallen. III. Die Lässigkeit, also ein offenbares Hindernis der Thätigkeit, ist eine Gattung von Furcht. Auf der anderen Seite fagt der Apostel (Phil. 2.): „Mit Furcht und Zittern wirket euer Heil;“ was sicherlich ausschließt, daß die Furcht das gute Wirken stört.
b) Ich antworte; das äußere Werk des Menschen gehe von der Seele aus als von der erstbestimmenden und bewegenden Kraft im Menschen; von den äußeren Gliedern aber wie von Werkzeugen. Es kann nun ein Werk gehindert werden 1. von seiten der mangelhaften Werkzeuge; und so hindert die Furcht immer die Thätigkeit nach außen hin wegen des Mangels an Wärme, der eine Folge der Wärme ist; — 2. von seiten der Seele. Und da ist zu unterscheiden. Ist die Furcht gering, so befördert sie das Wirken wegen der sie begleitenden Sorge und macht so, daß man aufmerksamer beratschlagt und thätig ist. Ist die Furcht so groß, daß sie bedeutend die Vernunft verwirrt, so hindert sie von seiten der Seele das Wirken. Von einer solchen Furcht spricht der Apostel nicht.
c) I. Damit ist der erste Einwurf beantwortet. II. Wer auf einem in der Höhe liegenden Balken geht, leidet Verwirrung in der Einbildungskraft; denn er fürchtet den eingebildeten Fall. III. Jeder, welcher Furcht hat, flieht vor dem Gegenstande der Furcht. Da also der Träge das Thätigsein fürchtet, weil es Mühe kostet, flieht er die Thätigkeit selber. Die Furcht aber in anderen Dingen fördert das Wirken, wodurch sie dem entflieht, was sie fürchtet.
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