Dritter Artikel. Die Furcht macht, daß man zittert.
a) Das Gegenteil scheint wahr. Denn: I. Das Zittern kommt von der Kälte. Die Furcht ist aber nicht Ursache von Kälte, sondern vielmehr von austrocknender Wärme; was dadurch bezeugt wird, daß die Fürchtenden Durst haben; zumal bei großer Furcht, wie z. B. bei denen, die zum Tode geführt werden. Also verursacht die Furcht kein Zittern. II. Das Ausfließen des Überflüssigen kommt von der Wärme; so daß die entsprechenden Medizinen, die dies hervorrufen, zum größten Teile Wärme enthalten. Solches Ausfließen aber kommt oft von der Furcht. Also macht diese vielmehr Wärme und kein Zittern. III. Bei der Furcht zieht sich die Wärme von den äußeren Teilen in das Innere zurück. Sollte also der Mensch infolge der Furcht zittern, so scheint, er müßte dann an allen äußeren Gliedern zittern; was nicht der Fall zu sein scheint. Auf der anderen Seite sagt Cicero (4 Tuscul.): „Der Furcht folgt Zittern, Blässe, Zähneknirschen“.
b) Ich antworte; bei der Furcht vollzieht sich ein gewisses Zusammenziehen der Wärme von außen nach innen; und danach bleiben die äußeren Glieder kalt, so daß Zittern folgt, verursacht durch die Abschwächung der Lebenskraft, welche die Glieder zusammenhält. Zu derartiger Abschwächung aber trägt im höchsten Grade bei der Mangel an Wärme, welche das Werkzeug ist, wodurch die Seele in Bewegung setzt.
c) I. Da die Wärme von den äußeren Gliedern her nach innen zusammengezogen wird, so wird die innere Wärme vermehrt und zumal die nach unten hin um die Nährorgane herum. Und demgemäß, da das Feuchte verzehrt wird, folgt Durst, und manchmal die Auflösung des im Unterleibe Enthaltenen und Ausfließen des Urins und manchmal des Samens; odersolches Ausfließen geschieht infolge des Sich-Zusammenziehens des Unterleibes u. dgl., wie Aristoteles sagt. (de problem. sect. 27.) Damit ist geantwortet auf II. III. Weil bei der Furcht die Wärme das Herz verläßt und nach unten geht, deshalb zittert den Fürchtenden am meisten das Herz und die Glieder, welche direkte Verbindung haben mit der Brust, wo das Herz ist. Deshalb zittern die Fürchtenden im höchsten Grade mit der Stimme wegen der größeren Nähe der betreffenden Arterie am Herzen; es zittert auch die Unterlippe und der ganze untere Kinnbacken wegen der Verbindung mit dem Herzen; es folgt ebenso Zähneknirschen; die Hände und die Arme beben; oder auch aus dem Grunde, weil dergleichen Glieder beweglicher sind, wie ja auch die Kniee beben nach Isai. 35, 3.: „Machet stark die bebenden Hände und kräftiget die zitternden Kniee.“
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