Dritter Artikel. Die Zustände unterscheiden sich gemäß dem Guten und dem Schlechten.
a.) Dies scheint nicht. Denn: I. Ein und derselbe Zustand, wie eben gesagt, bezieht sich auf die zwei Glieder eines Gegensatzes. „Gut“ und „schlecht“ aber sind zu einander im Gegensatze. Also besteht da nur ein Zustand. II. Gut ist dasselbe wie Sein und ist somit Allem gemeinsam, kann also nicht einen besonderen Unterschied im Wesen begründen (4 Topic. c. ult.); und so auch nicht das Schlechte als Mangel an gebührendem Sein. III. Auf ein und denselben Gegenstand richten sich verschiedene schlechte Zustände, wie z. B. die Unmäßigkeit und Stumpfheit auf die Begierlichkeiten sich richten. Ebenso richten sich auf ein und dasselbe Gute mehrere gute Zustände, nämlich die menschliche oder natürliche Tugend und die heroische oder göttliche, wie Aristoteles 7 Ethic. 1. sagt. Also „gut“ und „schlecht“ ist kein Unterscheidungsgrund für die Zustände. Auf der anderen Seite ist der gute Zustand im Gegensatze zum schlechten wie die Tugend entgegengesetzt ist dem Laster. Was aber einander entgegengesetzt ist, das ist gemäß der Gattungsform unterschieden. Also gemäß dem Unterschiede von „gut“ und „schlecht“ unterscheiden sich die Zustände.
b) Ich antworte, die Zustände unterscheiden sich nicht allein nach den thätig wirksamen Principien und nach den Gegenständen, sondern auch gemäß ihrer Beziehung zur Natur des betreffenden Dinges; — und zwar in doppelter Weise: Einmal gemäß dem daß sie der Natur entsprechen; und dazu setzt die Vermögen in die rechte Verfassung der gute Zustand; — oder gemäß dem daß sie der Richtung der inneren Natur nicht entsprechen; und dazu leitet an der schlechte Zustand. So kommen die Tugendakte der menschlichen Natur zu, weil sie gemäß der Vernunft sich vollziehen; und die Akte des Lasters sind gegen die Natur, weil sie von der Vernunft abweichen. Also nach dem Charakter des Guten und Schlechten unterscheiden sich die Zustände. Dann stehen die Zustände in Beziehung zur Natur, weil der eine Zustand zu einer der niederen Natur entsprechenden Thätigkeit anleitet; und der andere zu der einer höheren Natur entsprechenden Thätigkeit. In dieser Weise unterscheidet sich die menschliche Tugend, die der menschlichen Natur entsprechend anleitet, von der heroischen oder göttlichen Tugend, welche in die rechte Verfassung setzt zu einer Thätigkeit hin, die einer gewissen höheren Natur entspricht.
c) I. Kommen vom Gegenstände aus zwei Glieder eines Gegensatzes in einem einzigen maßgebenden Grunde überein, so ist da ein einziger Zustand. Zustände aber, die einander selber entgegengesetzt sind, haben nie die nämliche Gattung. Denn der Gegensatz zwischen den Zuständen richtet sich nach dem Gegensatze in den maßgebenden Gründen. Und in dieser Weise ist der Unterschied hier, insoweit der eine Zustand gut ist und der andere schlecht; nicht weil der eine auf das Gute als auf den Gegenstand sich erstreckt und der andere auf das Schlechte. II. Nicht das Gute im allgemeinen stellt einen besonderen Zustand her; sondern dies thut ein bestimmtes besonderes Gut, was nämlich der menschlichen Natur zukömmlich ist. Und ebenso ist das Schlechte hier etwas, was der besonderen menschlichen Natur zuwider erscheint. III. Mehrere gute Zustände richten sich auf ein und dasselbe Gut der Gattung nach, gemäß dem daß sie verschiedenen Naturen entsprechen, wie oben gesagt. Und mehrere schlechte Zustände richten sich auf ein und das selbe gemäß dem daß sie in verschiedener Weise der Natur zuwider sind. So stehen einer einzigen Tugend in der nämlichen Materie mehrere Laster gegenüber.
