Dritter Artikel. Die Gaben des heiligen Geistes sind Zustände.
a). Das Gegenteil stützt sich auf folgende Gründe: I. Ein Zustand schließt Dauer in sich. Denn er ist eine „schwer verrückbare Eigenschaft.“ Den Gaben aber ist es eigen, daß sie nur in Christo ruhen nach Isai. 11. Und Joh. 1, 33. heißt es: „Er, über welchen du siehst den Geist herabsteigen und bleiben über Ihm; Er tauft im heiligen Geiste;“ wozu Gregor (2. moral. 27.) bemerkt: „In alle Gläubigen kommt der heilige Geist, im Mittler allein bleibt Er stets in besonderer Weise.“ II. Die Gaben des heiligen Geistes vollenden den Menschen, insoweit er getrieben wird vom heiligen Geiste. Da verhält sich aber der Mensch wie ein Werkzeug. Insofern nun nicht dem Werkzeuge es zukommt, durch einen Zustand vollendet zu werden, sondern dem Haupteinwirkenden, ist die Gabe des heiligen Geistes kein Zustand im Menschen. III. Wie die Gaben des heiligen Geistes, so kommt auch die Gabe der Prophetie vom Einhauchen oder Einsprechen Gottes. Diese aber ist kein Zustand, wie Gregor (1. hom. in Ezech.) sagt, da der prophetische Geist dem Propheten nicht immer gegenwärtig ist. Auf der anderen Seite sagt der Herr zu seinen Aposteln und Jüngern (Joh. 14.): „Zu euch wird Er (der heilige Geist) kommen und bei euch wird Er bleiben und in euch wird Er sein.“ Der heilige Geist aber ist nicht im Menschen ohne seine Gaben. Also bleiben diese im Menschen und sind somit Zustände.
b) Ich antworte; durch die Gaben des heiligen Geistes wird der Mensch in die rechte Verfassung gesetzt, daß er dem Antriebe des heiligen Geistes folge. Offenbar nun vollenden die moralischen Tugenden den begehrenden Teil, insoweit derselbe von Natur geeignet ist, von der Vernunft aus in Bewegung gesetzt zu werden. So verhalten sich also die Gaben des heiligen Geistes zu dem Menschen, wie die Tugenden zum begehrenden Teile. Letztere aber sind Zustände. Also sind es auch die Gaben. Wie jene machen, daß man bereitwillig der Vernunft gehorcht, so diese, daß man gern dem heiligen Geiste gehorcht.
c) I. Gregor sagt gleich darauf (cap. 28.): „Rücksichtlich jener Gaben, die notwendig sind zum Heile, bleibt der heilige Geist in allen Auserwählten; nicht aber mit Rücksicht auf alle Gaben.“ Die sieben Gaben aber sind notwendig zum Heile. II. Jener Einwurf spricht von einem Werkzeuge, das nur getrieben wird, nicht aber selber treibt und wirkt. Der Mensch jedoch empfängt so das Einwirken des heiligen Geistes, daß er auch selber wirkt kraft seines freien Willens. Also bedarf er eines Zustandes. III. Die Prophetie ist nicht notwendig zum Heile, sondern dient zur Offenbarung des Geistes.
