Achter Artikel. Die Zustimmung zum Ergötzen ist Todsünde.
a) Das Gegenteil zeigen folgende Gründe: I. Zustimmen zum Ergötzen geht die niedere Vernunft an, deren Sache es nicht ist, auf das ewige Gesetz zu blicken. Jede Todsünde aber ist eine Abkehr vom ewigen Gesetze. (Vgl. Kap. 71, Art. 6.) Also ist die Zustimmung zum Ergötzen keine schwere Sünde, da sich die niedere Vernunft von dem, worauf sie nicht blickt, nicht abwenden kann. II. Zustimmen zu etwas ist nichts Böses, außer insoweit Jenes etwas Böses ist, dem man zustimmt. Das Ergötzen aber ohne das bezügliche Werk ist keine schwere, sondern eine läßliche Sünde. Also ist die Zustimmung zu diesem Ergötzen keine Todsünde. III. Die Ergötzlichkeiten unterscheiden sich mit Rücksicht auf den Charakter des Guten und Bösen gemäß dem Unterschiede in den Thätigkeiten. (10 Ethic. 4.) Eine andere Thätigkeit aber ist der innerliche Gedanke und eine andere der äußere Akt, z. B. der Unkeuschheit. Die Ergötzung also, welche der Thätigkeit des innerlichen Gedankens folgt, unterscheidet sich im selben Grade vom Ergötzen am unkeuschen Werte mit Rücksicht auf den Charakter des Guten und Bösen, in welchem sich unterscheidet der innere Gedanke vom äußerlichen Akte; und folgegemäß herrscht der nämliche Unterschied für die beiderseitige Zustimmung. Nun ist der innere Gedanke keine Todsünde; und auch nicht die Zustimmung zu solchem Gedanken. Also ist dies auch nicht die Zustimmung zum betreffenden Ergötzen. IV. Der äußere Akt der Unkeuschheit ist nicht Todsünde wegen des Ergötzens, denn dieses findet sich auch im ehelichen Leben; sondern wegen der Regellosigkeit im Akte. Wer aber dem Ergötzen zustimmt, der stimmt deshalb nicht der Regellosigkeit im Akte zu. Also ist da keine Todsünde. V. Der Mord ist eine schwerere Sünde, wie die einfache Unkeuschheit. Zustimmen aber dem Ergötzen, was dem Gedanken an den Mord folgt, ist keine Todsünde. Also weit weniger ist es Todsünde, zuzustimmen dem Ergötzen, welches den Gedanken an das unkeusche Werk begleitet. VI. Das Vaterunser betet man täglich um des Nachlasses der läßlichen Sünden willen, sagt Augustin. (Enchir. 78.) Die Zustimmung aber zum Ergötzen, so derselbe Augustin, sei zu verwischen durch das Vater unser. Denn „es sei dies“ so 12. de Trin. 12., „eine bei weitem geringere Sünde, als wenn man die That hinzufügt; jedoch muß man auch wegen solcher Gedanken um Nachlaß bitten und man muß an seine Brust schlagen und sagen: Verzeihe uns unsere Sünden.“ Also ist die Zustimmung zum Ergötzen eine läßliche Sünde. Auf der anderen Seite sagt Augustin gleich darauf: „Der ganze Mensch wird verdammt werden, wenn nicht das, was er zwar nicht im Werke vollführen, woran er sich aber in seinem Geiste freiwillig ergötzen wollte, als im Gedanken allein vollbrachte Sünde gefühlt und durch die Gnade de
b) Ich antworte; rückstchtlich dieses Punktes gab es verschiedene Meinungen: Manche nämlich nahmen an, die Zustimmung zum Ergötzen sei nur läßliche Sünde; andere, es sei Todsünde. Letztere Meinung steht der Wahrheit näher. Denn man muß berücksichtigen, daß, da einerseits jede Ergötzung einen Akt oder eine Thätigkeit begleitet und da andererseits jede Ergötzung irgend einen Gegenstand hat, eine jede solche Ergötzung betrachtet werden kann: 1. mit Rücksicht auf die entsprechende Thätigkeit; und 2. mit Rücksicht auf den betreffenden Gegenstand, an dem jemand sein Ergötzen hat. Es trifft sich aber, daß eine Thätigkeit Gegenstand des Ergötzens sei, wie dies auch ein anderes Ding ist; insofern die Thätigkeit selbst betrachtet werden kann als etwas Gutes und als Zweck, worin jemand freudig seine Ruhe findet. Und bisweilen ist nun auch die Thätigkeit selber, welcher das Ergötzen folgt, Gegenstand desselben, insoweit nämlich das Begehren, dessen Sache es ist, sich zu ergötzen, sich zurückwendet zur Thätigkeit als zu etwas Gutem; wenn z. B. jemandem sein eigener Gedanke gefällt. Bisweilen aber hat das Ergötzen, was einer Thätigkeit folgt, z. B. einem Gedanken, zum Gegenstande nicht diesen Gedanken, sondern die gedachte Sache; — und dann geht dieses Ergötzen hervor aus der Hinneigung des Begehrvermögens; nicht freilich zum Gedanken oder zum Denken selber, sondern zur gedachten Sache. So also kann sich jemand, der an Unkeusches denkt, an zweierlei ergötzen: 1) an dem Gedanken selber; 2) an dem unkeuschen Werke, dem Gegenstande des Gedankens. Die Ergötzung nun am Gedanken folgt der Hinneigung des Begehrens zum Gedanken oder zum Denken selber. Dieser Gedanke aber an sich ist keine Todsünde. Vielmehr ist er manchmal nur läßliche Sünde, z. B. wenn unnützerweise jemand so denkt; und manchmal ist er gar keine Sünde, z. B. wenn jemand darüber predigen will. Also eine solche Hinneigung oder Ergötzung ist nicht ihrer „Art“ nach Todsünde; vielmehr bisweilen gar keine Sünde. Also ist auch die entsprechende Zustimmung zu solchem Ergötzen keine Todsünde. Und danach hat die erste Meinung recht. Daß aber jemand, der an Unkeusches denkt, sich ergötzt an dem Werke selber, welches Gegenstand seines Gedankens ist, das kommt daher, weil sein Begehren hingeneigt ist zu solchem Werke. Zustimmen also zu derartigem Ergötzen ist nichts Anderes als zustimmen dazu, daß die Hinneigung seines Begehrens auf einen solchen Gegenstand geht. Denn jedermann ergötzt sich nur daran, was seinem Begehren gleichförmig ist. Daß nün jemand aus freier Überlegung wählt, sein Begehren solle dem gleichförmig sein, was an sich der inneren Natur nach Todsünde ist, das ist nichts Anderes wie Todsünde. Eine solche Zustimmung also ist Todsünde; wie die zweite Meinung annimmt.
c) I. Zustimmen zum Ergötzen kann ebenso gut der höheren Vernunft zukommen. Und trotzdem kann auch die niedere Vernunft sich abwenden vom ewigen Gesetze. Denn obgleich sie nicht auf dasselbe blickt als nach ihm regelnd und urteilend, so berücksichtigt sie das ewige Gesetz doch als von selbem geregelt; und so sich abwendend von ihm kann sie schwer sündigen. Denn auch die Thätigkeiten der niederen Kräfte und selbst der äußeren Glieder können Todsünden sein, insoweit sie der Regelung vom ewigen Gesetze aus ermangeln. II. Zustimmen zu einer Sünde, die ihrer „Art“ nach eine läßliche ist, das ist läßliche Sünde; und danach also wäre die Zustimmung zum Ergötzen, was zum Gegenstande hat den unnützen Gedanken an das Unkeusche, nur läßliche Sünde. Die Ergötzung aber, welche sich auf den Akt der Unkeuschheit selber richtet, ist ihrer „Art“ nach Todsünde. Denn haß vor diesem Zustimmen es sich nur um eine läßliche Sünde handelt, nämlich nur um die Regung der Sinnlichkeit infolge des Stachels des Fleisches, das ist rein nebensächlich; es ist nur die Folge des zufällig noch unvollkommenen Aktes, welche Unvollkommenheit hinweggenommen wird durch die überlegte Zustimmung, die hinzutritt. Von da her also wird der Akt zu seiner Natur hingeführt, daß er nämlich Todsünde sei. III. Wird zugestanden, da hier vom Gedanken allein als dem Gegenstande des Ergötzens gehandelt wird. IV. Die Ergötzung, deren Gegenstand die äußerliche Thätigkeit ist, kann nicht sich vollziehen, ohne daß man Wohlgefallen hätte an dieser Thätigkeit selbst an und für sich. betrachtet; wenn man auch nicht beschließt, das entsprechende Werk hinzuzufügen auf Grund des Verbotes einer höheren Gewalt. Der Akt selbst also ist ungeordnet und sonach auch die ihm folgende Ergötzung. V. Auch die Zustimmung zu einem Ergötzen, was hervorgeht aus dem Wohlgefallen, das man am Akte des Mordes hat, ist eine Todsünde; nicht aber die Zustimmung zum Ergötzen, was hervorgeht aus dem Wohlgefallen, dessen Gegenstand der Gedanke an einen Mord ist. VI. Das Vaterunser betet man ebenso gegen die Tod- wie gegen die läßliche Sünde.
