Dritter Artikel. Der Teufel kann nicht zwingen zum Sündigen.
a) Dagegen heißt es bei: I. Job 41. vom Teufel: „Welche Macht auf Erden kann mit der seinigen verglichen werden. “Eine größere Gewalt aber als die unsrige kann zwingen zum Sündigen. II. Aristoteles (3. de anima): „Alle unsere Kenntnis nimmt ihren Anfang von den Sinnen; und eine vernünftige Kenntnis ist nicht möglich ohne Phantasiebilder in der Einbildungskraft.“ Die menschliche Vernunft also kann nur bestimmt werden nach dem, was den äußeren Sinnen und der Einbildungskraft vorgestellt wird. Der Teufel kann aber in Thätigkeit setzen, er kann bewegen die Einbildungskraft und den äußeren Sinn (vgl. Art. 2), wie Augustin sagt (83 Qq. 12.): „Dieses Übel,“ was vom Teufel kommt, „kriecht durch alle sinnlichen Zugänge, bequemt sich den Figuren an, hängt sich an den Tönen fest, vereinigt sich mit den Farben, prägt sich ein dem Geschmack.“ Also kann der Teufel den Menschen zwingen zur Sünde. III. Augustin (19. de civ. Dei 4.): „In etwa Sünde ist es bereits wenn das Fleisch begehrt gegen den Geist.“ Die Begierde des Fleisches aber kann der Teufel verursachen, wie auch die übrigen Leidenschaften. Also folgt ihm notwendig die Sünde. Auf der anderen Seite ermahnt Petrus (1, 8), „zu widerstehen tapfer im Glauben dem Teufel, der herumgeht wie ein brüllender Löwe etc.“ Diese Ermahnung aber wäre unnütz, wenn der Teufel zur Sünde zwingen könnte. Und Iakobus sagt cap. 4. ähnlich: „Seid Gott Unterthan; widersteht dem Teufel und er wird vor euch fliehen.“
b) Ich antworte; wenn der Teufel nicht von Gott zurückgehalten wird, kann er jemanden zwingen, einen Akt zu setzen, der in seiner „Art“ Sünde ist. Er kann aber nicht zur Sünde zwingen. Denn der Mensch widersteht dem Antriebe nur kraft der Vernunft, deren Gebrauch der Teufel gänzlich hindern kann dadurch, daß er die Einbildungskraft und das sinnliche Begehren in Thätigkeit setzt und bestimmt; wie dies in den Besessenen klar ist. Da aber dann die Vernunft gebunden ist, so wird, was auch immer der Mensch thut, ihm nicht als Sünde angerechnet. Ist jedoch die Vernunft nicht ganz gebunden, so kann sie von der Seite, daß sie frei ist, immerdar widerstehen. Also kann der Teufel nicht zur Sünde zwingen.
c) I. Nur Gott kann den menschlichen Willen bewegen; nicht jede höhere Gewalt. II. Was der Sinn oder die Phantasie erfaßt, bestimmt nicht mit Notwendigkeit die Vernunft und den Willen; sofern der Gebrauch der Vernunft frei bleibt. III. Die Begierde ist keine Sünde, wenn die Vernunft ihr thatsächlich widersteht; sondern sie ist im Gegenteile eine Übung für die Tugend. Daß aber die Vernunft nicht widerstehe, das ist nicht in der Gewalt des Teufels; und somit kann er nicht zur Sünde zwingen.
