Zweiter Artikel. Der Teufel kann zur Sünde anregen auch vom Innern des Menschen aus, wenn auch nicht direkt vom Innern des willens.
a) Der Teufel kann gar nicht im Innern des Menschen zur Sünde anregen. Denn: I. Die inneren Thätigkeiten der Seele sind gewisse Lebensthätigkeiten. Also können sie alle, eingeschlossen die pflanzlichen Thätigkeiten, nur von einem innerlichen Princip ausgehen und keineswegs von einem äußeren, wie, dies der Teufel ist. II. Alle inneren Thätigkeiten des sinnlichen Teiles fangen naturgemäß an von den äußeren Sinnen. Unabhängig von der Ordnung der Natur aber kann nur Gott wirken. Also nur nach dem, was außen erscheint, kann der Teufel im Innern wirken. III. Die inneren Thätigkeiten der Seele sind das vernünftige Erkennen und das Einbilden. Der Teufel aber kann nichts in die Vernunft einprägen. (I. Kap. 111, Art. 2 ad II.) Er kann auch nicht ein Bild in die Einbildungskraft hineinbilden. Denn die inneren Formen der Einbildungskraft sind als geistigere, vom Stoffe losgelöstere, weit höher stehende wie die sinnlich wahrnehmbaren Formen in dem äußeren Stoffe, welche nach I. Kap. 110, Art. 2 und Kap. 111 der Teufel nicht einprägen kann. Also kann er gar nichts wirken in den inneren Seelenkräften. Auf der anderen Seite würde dann der Teufel niemals anders versuchen als dadurch daß er in sichtbarer Form erscheint; was falsch ist.
b) Ich antworte, vom Willen sei bereits die Rede gewesen. Es bleibt nun im vernünftigen Teile als innere Kraft allein die Vernunft noch übrig. Diese wird zur Thätigkeit bestimmt von einem Wesen, das sie erleuchtet behufs der Kenntnis der Wahrheit. Dies nun beabsichtigt der Teufel nicht; vielmehr will er die Vernunft verfinstern, damit sie der Sünde zustimme. Und diese Verfinsterung kommt von der Einbildungskraft und dem sinnlichen Begehren. Also scheint die ganze Thätigkeit des Teufels im Innern sich zu beschäftigen mit der Einbildungskraft und dem sinnlichen Begehren; von denen ein jedes vermittelst seiner bewegenden Kraft zur Sünde anleiten kann. Denn der Teufel kann dazu mitwirken, daß der Einbildungskraft einzelne Einbildungsformen vorgestellt werden. Er kann zudem machen, daß das sinnliche Begehren zur Leidenschaft erhöht wird. Denn I. Kap. 110, Art. 3 ist gesagt worden, daß die körperliche Kreatur der geistigen kraft der Natur gehorcht für die Bewegung von Ort zu Ort. Was also aus der Bewegung von Ort zu Ort der niederen Körper hervorgehen kann, das Alles kann der Teufel verursachen, wenn ihn nicht die göttliche Kraft zurückhält. Daß aber einzelne Einbildungsformen vorgestellt werden der Phantasie, das folgt aus der örtlichen Bewegung. Denn Aristoteles sagt (de somno et vigil. 3 et 4.): „Wenn das sinnbegabte Wesen schläft und sehr viel Blut herabsteigt zum Princip des sinnlichen Lebens, steigen zu gleicher Zeit hernieder die Bewegungen, wir meinen die Eindrücke, welche aus den sinnlichen Bewegungen zurückgelassen worden sind und welche aufbewahrt werden in den sinnlichen Bildern und diese setzen in Thätigkeit das auffassende Princip, so daß sie nun auch erscheinen als ob erst jetzt in diesem Augenblicke das sinnliche Princip von den äußeren Dingen her beeinflußt würde.“ Eine solche örtliche Bewegung der sinnlichen Geister und Säfte kann nun auch von den Teufeln verursacht werden, sei es daß die Menschen wachen oder schlafen. Ähnlich wird auch sinnliches Begehren zu Leidenschaften erregt gemäß einer gewissen Bewegung des Herzens und der sinnlichen Lebensgeister. Also kann dazu der Teufel ebenfalls mitwirken. Und daraus daß einzelne Leidenschaften erregt werden im sinnlichen Begehren, folgt, daß der Mensch auch die Bewegung oder die sinnliche Richtung zu einem Gute, welche in vorgenannter Weise auf das auffassende Princip zurückgeführt worden ist, in höherem Grade wahrnimmt. Denn, sagt Aristoteles (I. c.): „Die Liebenden werden durch die geringste Ähnlichkeit, welche sie rücksichtlich der geliebten Sache auffassen, in Bewegung gesetzt.“ Ebenso kommt es von einer in dieser Weise aufgeregten Leidenschaft, daß über das, was der Einbildung vorgelegt wird, die Vernunft urteilt, man müsse es verfolgen. Denn demjenigen, den eine Leidenschaft festhält, erscheint als ein Gut das, wozu die Leidenschaft hinneigt. Und so regt der Teufel zur Sünde an.
c)I. Freilich sind die Lebensthätigkeiten immerdar von einem innerlichen Princip; es kann jedoch ein äußerliches mitwirken, wie ja auch zur Thätigkeit der Pflanzenseele mitwirkt die Wärme von außen her, damit leichter die Speise verdaut werde. II. Eine solche Erscheinung von Einbildungsformen ist nicht durchaus außerhalb der Ordnung der Natur und geschieht nicht infolge eines Befehls, sondern vermittelst der örtlichen Bewegung. III. Jene Einbildungsformen kommen allerdings anfangs von den äußeren Sinnen.
