Dritter Artikel. Manchen Sünden ist die ewige Strafe geschuldet.
a) Das wäre: I. Ungerecht; denn die Gerechtigkeit ist Gleichmaß nach Isai 27, 8.: „Maß gegen Maß; danach wirst du urteilen, wenn ein Maß abgeworfen worden.“ Die Schuld aber ist zeitlich. Also gebührt ihr keine ewige Strafe. II. Gegen das Wesen eines Heilmittels, was doch die Strafe sein soll, nach 2 Ethic. 3. Denn kein Heilmittel darf endlos sein, wird es doch zu einem Endzwecke hin geordnet. III. Gegen die Natur Gottes, der nur deshalb für immer strafen könnte, weil Er Sich daran ergötzte: „Gott aber freut sich nicht am Verderben der Menschen,“ heißt es Sap. I. IV. Gegen die Natur der Strafe; die immer, ohne vom Sünder beabsichtigt zu sein, per accidens, der Sünde folgt. Nichts Derartiges aber, was nur per accidens, nebenbei, und was nicht der Natur des Dinges, zu dem es hinzutritt, gemäß ist, kann endlos sein. Also kann die Strafe, die ja der Natur des Sünders nicht gemäß und somit etwas Gewaltsames ist, nicht endlos dauern. Auf der anderen Seite steht geschrieben Matth. 25.: „Und diese werden in die ewige Strafe gehen;“ und Mark. 3.: „Wer gegen den heiligen Geist lästert, dem wird dies in Ewigkeit nicht vergeben werden;“ es bleibt also in Ewigkeit seine Schuld.
b) Ich antworte, die Sünde verdiene auf Grund dessen Strafe als etwas, was ihr folgt, weil sie eine Ordnung verkehrt. So lange aber die Ursache bleibt, bleibt auch die Wirkung. Wie lange also die Verkehrtheit der betreffenden Ordnung bleibt, so lange muß auch die Strafe geschuldet werden. Nun verkehrt jemand die Ordnung manchmal in einer heil- und manchmal in einer unheilbaren Weise. Denn immer ist ein Mangel, durch welchen das Princip selber entfernt wird, ein unheilbarer; bleibt aber das Princip bestehen, so ist der Mangel heilbar eben vermittelst der Kraft des Princips. So ist, wenn das Princip für das Sehen verdorben ist, eine Heilung nur vermittelst göttlicher Kraft möglich; bleibt aber das Princip in Wirksamkeit, so können hinzutretende Hindernisse eben dadurch mit Hilfe der Natur oder der Kunst beseitigt werden. In jeder Ordnung nun besteht ein Princip der Ordnung, vermittelst dessen jemand teilnimmt an der respektiven Ordnung selber. Wird also durch die Sünde jenes Princip der Ordnung verdorben, kraft dessen der Wille Gott unterworfen ist, so ist, an sich betrachtet, diese Ordnungslosigkeit unheilbar; wenn sie auch durch göttliche Kraft geheilt werden könnte. Nun ist das erste Princip dieser Ordnung der letzte Endzweck, dem der Mensch anhängt kraft der Liebe. Welche Sünden auch immer also von Gott abwenden, indem sie die Liebe hinwegnehmen, haben zur Folge, soweit es an ihnen liegt, die ewige Strafe.
c) I. Sowohl bei Gott wie bei den Menschen steht die Strafe im Verhältnisse zur Bitterkeit der Schuld, nicht zu deren Dauer; nach Augustin 21. de civ. Dei 11. Der Ehebruch oder Mord z. B. können einen Augenblick dauern; gestraft aber werden sie mit ewiger Verbannung oder ewigem Gefängnisse oder gar mit dem Tode, wodurch jemand für alle Zeit abgeschnitten wird von der Gesellschaft der Lebenden. Gerecht ist es nun, wie Gregor (4. dial. 44.) sagt, „daß, wer gegen Gott sündigt, soweit er am Ewigen teilnimmt, insoweit er also den letzten Endzweck in die Sünde setzt und sonach den Willen hat, in Ewigkeit zu sündigen, auch gestraft werde von Gott, soweit Gott Herr der Ewigkeit ist.“… „Die Bösen hätten wollen ohne Ende leben, damit sie ohne Ende in ihren Missethaten blieben“ l. c. II. Nicht immer ist die Strafe, auch nicht die der menschlichen Gerechtigkeit, ein Heilmittel für den Schuldigen selber; oft ist sie dies nur für andere, nach Prov. 19.: „Wenn der verderbliche Schuldige gestraft ist, wird der Thor weiser sein.“ So also sind auch die ewigen Strafen Heilmittel für jene, die in Erwägung derselben von Sünden sich enthalten, nach Ps. 59.: „Denen, die Dich fürchten, hast Du ein Zeichen gegeben, daß sie fliehen vor dem Angesichte des Bogens, daß befreit werden die von Dir Geliebten.“ III. Gott freut sich, daß seine Gerechtigkeit verherrlicht wird; nicht an den Strafen selbst. IV. Die Strafe ist allerdings mit Rücksicht auf die Natur des Sünders etwas Unbeabsichtigtes, Gewaltsames; an sich aber ist sie hingeordnet zur Gerechtigkeit. Und deshalb dauert, so lange die Unordnung bleibt, auch die Strafe.
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