Vierter Artikel. Weder der gute noch der böse Engel können läßlich sündigen.
a.) Das Gegenteil wird dargethan: I. Der Mensch kommt nach Gregor (29. Evgl.) in seinem höheren Teile überein mit den Engeln. Er kann aber läßlich sündigen in seinem höheren Teile, nämlich der Vernunft. Also können es auch die Engel. II. Wer das Größere kann, der kann auch das Mindere. Der Engel konnte aber das geschaffene Gut mehr lieben als er Gott liebte. Also kann er es auch weniger lieben als er Gott liebt, was da heißt: läßlicherweise sündigen. III. Die bösen Engel thun was an sich, nach seiner „Art“, läßliche Sünde ist, z. B. die Menschen zum Lachen, zu unnützen Worten etc. reizen. Da nun der Umstand der höheren Würde der Person die läßliche Sünde nicht zu einer schweren macht, so kann der Engel läßlich sündigen. Auf der anderen Seite ist die Vollendung der Natur des Engels eine größere, wie die des Menschen im Urzustände. Da aber konnte der Mensch nicht läßlich sündigen. Also.
b) Ich antworte, die Vernunft des Engels schließe nicht von Einem auf das Andere, wie die unsrige es thut. Wenn sie also die Schlußfolgerungen betrachtet, so betrachtet sie dieselben nicht als von den Principien getrennte, einzeln für sich, sondern in den Principien allein. Im Bereiche des Begehrbaren aber sind die Zwecke wie die Principien; das Zweckdienliche wie die Schlußfolgerungen. Also der Engel richtet sich auf das Zweckdienliche, nicht insoweit es für sich getrennt betrachtet wird, ohne daß die Beziehung zum Zwecke mitbetrachtet ist, wie wir dies thun und deshalb irren können; sondern er betrachtet das Zweckdienliche nur als im Zwecke als in dem Princip Enthaltenes, soweit es also unter dem Zwecke geordnet ist. Es kann somit bei den Engeln niemals eine Unordnung sein mit Rücksicht auf das Zweckdienliche, ohne daß damit zugleich die Unordnung mit Rücksicht auf den Zweck notwendig verbunden wäre; Letzteres aber kann nur kraft der Todsünde eintreten. Die guten Engel nun zudem richten sich auf das Zweckdienliche nur insoweit es Beziehung hat zum gebührenden Zwecke, zu Gott; und deshalb ist all ihre Thätigkeit Liebesthätigkeit und kann in ihnen sonach nichts läßlich Sündhaftes sein. Die bösen Engel aber beziehen Alles auf ihren Hochmut und so sündigen sie in Allem, was sie freiwillig thun, schwer. Anders verhält es sich freilich mit ihrem natürlichen Begehren nach Gutem; worüber I. Kap. 63, Art 1 ad III. und Art. 4.
c) I. Der Mensch unterscheidet sich vom Engel in der Art und Weise, vernünftig zu erkennen. II. Der Engel konnte nicht eine Kreatur weniger lieben als Gott den Herrn außer insoweit er sie zugleich thatsächlich auf Gott bezog als auf den letzten Zweck; oder er bezog sie auf einen ungeordneten Zweck. III. Alle jene scheinbar läßlichen Sünden, zu denen die Teufel verführen, dienen den Teufeln dazu, daß sie die Menschen an sich ziehen und so zur Todsünde anleiten. Also in allem diesem sündigen sie schwer wegen des Zweckes, den sie sich vorsetzen.
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