Zweiter Artikel Der Sitz oder das Subjekt des Glaubens ist die Vernunft.
a) Dagegen sagt: I. Augustin (de praed. sanctor. 5.): „Der Glaube besteht im Willen der glaubenden.“ II. Die Zustimmung im Glauben kommt vom Gehorsam des Willens Gott gegenüber. Also ist der Glaube im Willen. III. Der Glaube ist nicht in der beschaulichen Vernunft, da diese nichts vom Wirken sagt, „der Glaube aber kraft der Liebe wirkt.“ (Galat. 5.) Er ist nicht in der praktisch thätigen Vernunft, da deren Gegenstand das Wahre ist, insoweit es sein kann und auch nicht sein kann, nämlich Gegenstand des Thätigseins ist; der Glaube aber das ewig und unabänderlich Wahre zum Gegenstande hat, was nicht gewirkt wird. Also. Auf der anderen Seite heißt es 1. Kor. 13.: „Wir schauen jetzt durch den Spiegel im Rätsel; dann aber von Angesicht zu Angesicht.“ Also ist der Glaube ähnlich wie das Schauen innerhalb der Vernunft.
b) Ich antworte; da der Glaube eine Tugend ist, so muß sein Akt vollendet sein. Geht aber ein Akt von zwei thätigen Principien aus, so muß ein jedes dieser beiden Principien vollendet sein. So kann nur jener gut sägen, der dies versteht und der eine gute Säge hat. In denjenigen Vermögen aber, die nicht von Natur zu einer besonderen und beschränkten Art Wirkung bestimmt sind, geht die Verfassung, um gut zu handeln, von Zuständen aus, welche das betreffende Vermögen vollenden. Geht somit ein Akt von zwei solchen an sich auf das Allgemeine gerichteten Vermögen aus, so muß ein jedes derselben vollendet sein durch einen Zustand, der dem Thätigsein vorhergeht und dessen Princip ist. Nun ist Glauben ein Akt der Vernunft, insoweit diese die Bestimmung, um zuzustimmen, von dem Willen erhält. Glauben geht also von zwei Vermögen aus, von denen ein jedes der Vollendung durch einen Zustand bedarf. Soll demnach der Akt des Glaubens ein vollendeter sein, so muß sich ein entsprechender Zustand sowohl im Willen wie in der Vernunft finden; wie ebenso dazu daß die Thätigkeit der Begehrkraft vollendet sei es gehört, daß der Zustand der Klugheit in der Vernunft sich finde und der Zustand der Mäßigkeit in der Begehrkraft. Unmittelbar aber ist Glauben direkt ein Akt der Vernunft; denn sein Gegenstand ist das Wahre, was immer zur Vernunft gehört. Also notwendigerweise hat der Glaube seinen Sitz in der Vernunft, welche dafür das eigens entsprechende Princip ist.
c) I. Augustin spricht vom Akt des Glaubens; insoweit der Gläubige zustimmt, weil seine Vernunft vom Willen aus zum Zustimmen veranlaßt ist. II. Nicht allein der Wille muß bereit sein zum Gehorchen, sondern auch die Vernunft muß durch den geeigneten Zustand vollendet sein, um dem Befehle des Willens zu folgen. III. Der Glaube ist, wie dies sein Gegenstand ergiebt, in der beschaulichen Vernunft. Weil aber dieser Gegenstand, die erste Wahrheit, der Zweck aller unserer Wünsche und Bestrebungen ist (Aug. de Trinn. 6.), deshalb „wirkt der Glaube durch die Liebe.“
