Dritter Artikel. Die Liebe ist die Form und Vollendung des Glaubens.
a.) Das scheint nicht.Denn: I. Ein jegliches Ding hat sein Gattungswesen vermittelst eigenen in ihm bestimmenden Form. Wo also verschiedene Gattungswesenheiten bestehen, da kann nicht das eine die es bildende Form erhalten vom anderen. Der Glaube und die Liebe aber sind nach 1. Kor. 13. zwei der Gattung nach verschiedene Tugenden. Also kann die Liebe nicht die Form des Glaubens sein. II. Die bildende Form und was gebildet wird, sind in ein und dem selben. Die Liebe aber ist im Willen, der Glaube in der Vernunft. Also. III. Die Form ist das Princip in einem Dinge.Das Princip, um zu glauben, aber ist mehr der Gehorsam wie die Liebe; denn Röm. 1. heißt es: „Um zu gehorchen dem Glauben in allen Völkern.“ Mehr also ist der Gehorsam Form des Glaubens wie die Liebe. Auf der anderen Seite wirkt der Glaube durch die Liebe. Jegliches aber wirkt kraft seiner Form.
b) Ich antworte, die freiwilligen Thätigkeiten empfangen ihre Gattung vom Zwecke, der da Gegenstand des Willens ist. Von wo her aber etwas seine Gattung erhält, das verhält sich im Bereiche des Natürlichen nach Weise der Form. Für jeden freien Akt also ist der Zweck, worauf er gerichtet ist, gewissermaßen die Form; denn sowohl erhält er von da her seine bestimmte Gattung als auch muß die Art und Weise des Thätigseins im richtigen Verhältnisse zum Zwecke stehen. Offenbar nun wird der Glaubensakt hingeordnet zum Gegenstande des Willens, zum Guten, wie zu dem entsprechenden Zwecke; und dieses Gut, nämlich das göttliche, ist der eigens entsprechende Gegenstand der Liebe. Also wird die Liebe die Form des Glaubens genannt, insofern der Glaube geformt und vollendet wird durch die Liebe.
c) I. Die Liebe wird als Form des Glaubens bezeichnet, insoweit sie den Glaubensakt formt und vollendet. Ein und derselbe Akt aber kann von verschiedenen Zuständen her regelrecht vollendet und so gemäß einer gewissen Ordnung auf verschiedene Gattungen zurückgeführt werden, wie I., II. Kap. 18, Art. 6 und 7; und Kap. 56, Art. 2 auseinandergesetzt worden. II. Nicht die innere, den Glauben in seinem Wesen herstellende Form ist die Liebe; sondern sie vollendet den dem Wesen nach bereits bestehenden Glaubensakt. III. Auch der Gehorsam und die Hoffnung und jede andere Tugend kann dem Glaubensakte vorausgehen und dabei von der heiligen Liebe die Vollendung erhalten; und deshalb wird die Liebe als Form des Glaubens bezeichnet (s. unten Kap. 23).
