Sechster Artikel. Der Glaube ist eine einige Tugend.
a) Dagegen spricht: I. Wie der Glaube, so ist auch die Weisheit und die Wissenschaft eine Gabe Gottes, nach Ephes. 5.; Isai. 2. Die Weisheit und die Wissenschaft aber unterscheiden sich voneinander, weil jene das Ewige, diese das Zeitliche berücksichtigt, nach Augustin. (13. de Trin. 19.) Da also der Glaube ebenfalls das Ewige berücksichtigt und manches Zeitliche, so scheinen da Teile im Glauben und somit verschiedene Tugenden des Glaubens angenommen werden zu müssen. II. Das Bekenntnis ist ein Akt des Glaubens. Nicht ein und dasselbe Bekenntnis des Glaubens aber ist bei allen; denn was wir als geschehen bekennen, das bekannten die Väter im Alten Bunde als zukünftig. Also ist da nicht ein und derselbe Glaube. III. Der Glaube ist gemeinsam allen Gläubigen. Nicht aber kann ein und dieselbe Eigenschaft oder Zuthat in verschiedenen Wesen sein. Also giebt es nicht ein und denselben Glauben für alle. Auf der anderen Seite sagt der Apostel (Ephes. 4.): „Ein Herr, ein Glaube.“
b) Ich antworte, von seiten des Gegenstandes könne nur ein Glaube sein; denn eine ist die erste Wahrheit, auf Grund deren allein wir glauben, was auch immer wir glauben. Von seiten der Personen jedoch, die am Glauben teilnehmen, ist er verschieden. Offenbar nun hat der Glaube, wie jeder Zustand, auf Grund des formalen Gegenstandes seine Gattung und hat nur sein Einzelsein auf Grund der einzelnen Person. Demnach ist der Glaube ein einiger der Gattung nach; er läßt jedoch eine Verschiedenheit der Zahl nach zu, je nachdem viele glauben. Nimmt man aber den Ausdruck „Glauben“ für das, was wir glauben, wie wir sagen, dieser, der katholische, ist mein Glaube; — so ist es ebenfalls ein einiger Glaube. Denn obgleich Verschiedenes zu glauben vorgestellt wird, läßt sich doch dies Alles auf Eines zurückführen.
c) I. Zeitliche Verhältnisse gehören nur insoweit zum Glauben als sie Beziehung haben zu etwas Ewigem, nämlich zur ersten Wahrheit; sonach berücksichtigt der nämliche Glaube Zeitliches und Ewiges. Die Weisheit und Wissenschaft aber betrachten ewige und zeitliche Dinge nach deren eigens entsprechenden Gründen und nicht mit Beziehung auf ein und denselben Formalgrund. II. Diese Unterscheidung von „vergangen und zukünftig“ gründet nicht auf irgend einer Verschiedenheit in der geglaubten Sache; sondern auf verschiedenen Beziehungen zu der geglaubten Sache. III. Dies betrifft die Verschiedenheit in der Zahl der Gläubigen.
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