Dritter Artikel. Die Gabe der Wissenschaft ist an erster Stelle eine beschauliche, und erst an zweiter Stelle eine dem Thätigsein dienende.
a) Die Gabe der Wissenschaft scheint ganz und gar auf die Thätigkeit gerichtet zu sein. Denn: I. „Die Thätigkeit, durch welche wir die äußeren Dinge gebrauchen, wird der Wissenschaft zugeschrieben;“ sagt Augustin. (12. de Trin. 14.) Dies besagt aber, die Wissenschaft sei auf die Thätigkeit gerichtet. II. Gregor (1. moral. 15.) sagt: „Wertlos ist die Wissenschaft, welche der Frömmigkeit nichts nützt; und sehr unnütz ist die Frömmigkeit, welche der Unterscheidung von seiten der Wissenschaft ermangelt.“ Also ist die Wissenschaft nur auf das Thätigsein gerichtet. III. Die Gaben des heiligen Geistes sind allein in den Gerechten. Rein beschauliches Wissen aber können auch die Ungerechten haben, nach Jakob. 4.: „Der da weiß, das Gute zu thun und es nicht thut, für den ist dies Sünde.“ Also ist die Gabe der Wissenschaft eine rein dem Thätigsein dienende. Auf der anderen Seite sagt Gregor der Große (1. moral. 15.): „Die Wissenschaft bereitet an ihrem Tage ein Gastmahl, weil sie im Bauche des vernünftigen Geistes das Fasten der Unwissenheit überwindet.“ Die Unwissenheit aber wird sowohl durch das beschauliche wie durch das praktisch thätige Wissen entfernt. Also ist die Gabe der Wissenschaft eine der Beschauung und der Thätigkeit dienende.
b) Ich antworte, die Gabe der Wissenschaft habe ebensogut wie die des Verständnisses Beziehung zur Sicherheit und Gewißheit des Glaubens. Der Glaube aber besteht an erster leitender Stelle in der Beschauung, insofern selbiger der ersten Wahrheit anhängt. Weil aber die erste Wahrheit zugleich der letzte Endzweck ist, um dessentwillen wir thätig sind, deshalb erstreckt sich der Glaube als Richtschnur auch auf die Thätigkeit; „er ist thätig durch die Liebe.“ Gal. 5. In erster Linie also ist die Gabe der Wissenschaft eine beschauliche; denn vermittelst ihrer weiß der Mensch, was er zu glauben hat. An zweiter Stelle leitet sie auch unser Handeln; denn durch das, was wir glauben, haben wir die Richtschnur für unser Thätigsein.
c) I. Augustin spricht hier von der Wissenschaft im letztgenannten Sinne. Sie regelt wohl die Thätigkeit und die Frömmigkeit; aber sie thut das weder allein noch an erster Stelle. III. Nicht wer auch immer „versteht“, hat die Gabe des Verständnisses; sondern wer versteht infolge des Zustandes der Gnade. So haben auch nur jene die Gabe der Wissenschaft, die infolge des Einsprechens des heiligen Geistes, infolge der Gnade also, ein richtiges Urteil haben über das zu Glaubende und zu Thuende. Das ist jenes Wissen der Heiligen, von dem Sap. 10. gesagt wird: „Den Gerechten hat Gott geführt den rechten Weg … und hat ihm gegeben die Wissenschaft der Heiligen.“
