Vierter Artikel. Der Gabe der Wissenschaft entspricht die dritte Seligkeit.
a) Das wird bestritten. Denn: I. Das Übel ist die Ursache der Trauer, das Gute Ursache der Freude. Die Wissenschaft aber offenbart an erster Stelle das Gute; denn erst kraft des Guten wird das Übel erkannt. „Das Grade ist die Richtschnur für das Gerade und Krumme,“ sagt ja Aristoteles. (1. de anima.) Also kommt der Wissenschaft nicht die Trauer zu. II. Die Wahrheit wird von der Wissenschaft betrachtet. „Darin aber ist keine Bitterkeit und das Zusammenleben mit ihr bietet keinen Ekel.“ Sap. 8. III. Die Gabe der Wissenschaft ist an erster Stelle eine spekulative, beschauliche. „Die beschauliche Vernunft aber sagt nichts vom Erstreben und vom Fliehen;“ schreibt Aristoteles. (3. de anima.) Also ist da weder Trauer noch Freude anzusetzen. Auf der anderen Seite schreibt Augustin (de serm. Dom. in monte 4.): „Die Wissenschaft kommt den Traurigen zu, die da gelernt haben, mit welchen Übeln sie gebunden sind und was sie als das ihnen entsprechende Gut begehren sollen.“
b) Ich antworte, der Wissenschaft gehöre so recht eigentlich zu das rechte Urteil über die Kreaturen. Nun sind es die Kreaturen, welche den Anlaß bilden, daß der Mensch sich von Gott abwendet, nach Sap. 14.: „Die Kreaturen sind würdig geworden gehaßt zu werden.… Fallstricke sind sie für die Füße der Thoren,“ die da nämlich kein richtiges Urteil über sie haben, insofern sie meinen, man müsse sie als das vollkommene Gut betrachten und so den letzten Endzweck in sie setzen. Dieses Urteil nun wird den Menschen bekannt durch das rechte Urteil über die Kreaturen, wie es die Gabe der Wissenschaft an die Hand giebt. Und demnach entspricht die Trauer als Seligkeit der Gabe der Wissenschaft.
c) I. Die geschaffenen Güter regen nur dann zur geistigen Freude an, wenn sie auf das göttliche Gut bezogen werden, von woher so recht eigentlich die geistige Freude kommt. Unmittelbar also entspricht der geistige Friede und Jubel der Gabe der Weisheit. Der Gabe der Wissenschaft aber entspricht zuerst die Trauer infolge der vergangenen Irrtümer; und dann der Trost, insoweit der Mensch nun die Kreaturen hinordnet zum göttlichen Gute auf Grund des Urteils, das ihm die Wissenschaft an die Hand giebt. Die Trauer wird also hier als das Verdienst gesetzt, die folgende Tröstung als Lohn, der hier beginnt und im Jenseits vollendet wird. II. Der Mensch kann manchmal trauern über die Sache selber, deren Wahrheit er betrachtet. III. Der Gabe der Wissenschaft in ihrem beschaulichen Teile entspricht keine Seligkeit; denn nicht in der Betrachtung der Kreaturen ist die Seligkeit des Menschen, sondern in der Anschauung Gottes. Im gebührenden thätigen Gebrauche der Kreaturen aber besteht eine gewisse Seligkeit; denn ein solcher Gebrauch ist der Weg zur ewigen Seligkeit.
