Dritter Artikel. Keiner kann für den anderen die ewige Seligkeit wirksam und unmittelbar erhoffen.
a) Dies scheint doch der Fall sein zu können. Denn: I. Philipp. 1. sagt der Apostel: „Wir hoffen zuversichtlich, daß wer das gute Werk in euch angefangen hat, es vollenden wird bis zum Tage Jesu Christi.“ Diese Vollendung ist aber das ewige Leben. Also wurde dies von Paulus für andere erhofft. II. Was wir von Gott erbitten, das erhoffen wir von Ihm. Wir bitten Ihn aber um das Heil anderer. III. Es kann jemand verzweifeln am Heile eines anderen; sonst würde ohne Grund Augustin ermahnen, „man solle am Heile keines einzigen verzweifeln.“ (De verb. Dom. serm. 11.) Also kann man auch das Heil eines anderen erhoffen; da ein Gegensatz immer den anderen berücksichtigt. Auf der anderen Seite sagt Augustin (Ench. 8.): „Die Hoffnung richtet sich einzig und allein auf Güter, die den hoffenden angehen.“
b) Ich antworte, die Hoffnung kann 1. auf etwas schlechthin und ohne weiteres gehen; und so ist sie dessen allein, der auf ein schwer zu erreichendes Gut, das ihm zugehört, hofft; — 2. kann sie auf etwas gehen unter Voraussetzung von etwas Anderem; und so kann sie auch das betreffen, was den anderen angeht. Denn die Liebe schließt eine gewisse Einigung des liebenden mit dem geliebten Gegenstande ein; die Hoffnung aber eine gewisse Bewegung zum schwer zu erreichenden Gute hin. Somit kann die Liebe wohl unmittelbar einen anderen berücksichtigen, welchen sie gleich sich selbst, gleich dem liebenden, erachtet. Die Bewegung aber geht immer auf den eigens entsprechenden Abschluß, der zum Beweglichen im entsprechenden Verhältnisse steht. Deshalb richtet sich die Hoffnung unmittelbar und an sich nur auf das Gute des hoffenden und nicht auf das, was einen anderen betrifft; denn nur das, was den eigenen Kräften oder dem Beistande des helfenden entspricht, steht im gebührenden Verhältnisse zum hoffenden. Wird aber die Einigung mit einem anderen in der Liebe vorausgesetzt, so kann jemand das nämliche Gut für den anderen erhoffen, was er für sich selbst erhofft. Und danach kann jemand für den anderen die ewige Seligkeit erhoffen, insoweit er mit ihm kraft der Liebe geeint ist; und wie es die nämliche Liebe ist, mit der jemand sich, den Nächsten und Gott liebt, so ist es die nämliche Hoffnung, mit der jemand für sich auf etwas hofft und für den anderen.
c) Ist damit beantwortet.
