Fünfter Artikel. Gott kann ganz und gar geliebt werden.
a) Das wird geleugnet. Denn: I. Die Liebe folgt der Kenntnis. Gott aber kann nicht ganz und gar von uns erkannt werden; sonst könnte man Ihn erschöpfend begreifen. Also. II. Die Liebe ist eine Einigung. „Gott aber ist größer wie das menschliche Herz,“ nach Joh. 3, 20. Also kann unser Herz Ihn nicht ganz und gar fassen. III. Gott liebt ganz und gar Sich selbst. Würde Er also von einer Kreatur ganz und gar geliebt; so würde diese Ihn lieben wie Er selbst Sich liebt, was unzulässig ist. Auf der anderen Seite heißt es Deut. 6.: „Du sollst Gott, deinen Herrn, lieben aus deinem ganzen Herzen.“
b) Ich antworte, da die Liebe zwischen dem liebenden und dem Geliebten vermittelt, so kann dieses „ganz und gar“ in dreifacher Weise verstanden werden; 1. so, daß es auf Gott bezogen wird als auf den geliebten Gegenstand; und danach ist Gott ganz und gar zu lieben, denn Alles was Gott zugehört, ist zu lieben; — 2. so, daß es bezogen wird auf den liebenden; und danach muß Gott ebenfalls ganz und gar geliebt werden, nach Deut. 6.: „Du sollst Gott lieben aus deinem ganzen Herzen;“ — 3. so, daß der liebende verglichen wird mit dem geliebten Gegenstande, daß nämlich das Maß des Liebens gleichkomme dem Maße wie der geliebte Gegenstand liebwert ist; und so ist das „ganz und gar“ falsch. Denn Gott ist das unendliche Gut, die Güte selber; alle Kraft der Kreatur aber ist begrenzt.
c) Damit beantwortet.
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