Dritter Artikel. Die Gabe der Weisheit ist nicht rein beschaulich, sondern auch auf das Thätigsein gerichtet.
a) Dem steht entgegen: I. Die Gabe der Weisheit steht höher wie die Tugend der Weisheit in der Vernunft. Diese aber ist rein beschaulich. Also ist dies um so mehr die Gabe der Weisheit. II. Die auf das Thätigsein gerichtete, praktische Vernunft hat zum Gegenstande das Zufällige, Zeitliche. Die Weisheit richtet sich auf das Ewige, Notwendige. III. Gregor sagt (6. moral. ult.): „In der Beschauung wird das Princip des All, Gott, gesucht; im Willen aber arbeitet man unter dem schweren Bündel der Bedürfnisse.“ Der Weisheit nun gehört zu das Schauen des Göttlichen und dazu steht in keiner Beziehung das mühevolle Arbeiten; denn Sap. 8. heißt es: „Nicht hat irgend welche Bitterkeit das Zusammenleben mit ihr (der Weisheit); und keinen Ekel bringt hervor der Verkehr mit ihr.“ Auf der anderen Seite heißt es Koloss. 4.: „In Weisheit wandelt vor denen, die draußen sind.“ Dies hat aber Bezug auf das Thätigsein.
b) Ich antworte; nach Augustin (12. de Trin. 14.) dient der Betrachtung der Weisheit der höhere Teil, dem Wissen der niedere. „Die höhere Vernunft aber hat auf die ewigen Seinsgründe acht, um sie zu betrachten (das deutet auf den beschaulichen) und sie um Rat zu fragen“ (für das Thätigsein). (l. c. c. 7.) Also ist die Gabe der Weisheit nicht eine rein beschauliche.
c) I. Je höher eine Kraft ist, auf desto weiteren Umfang erstreckt sie sich. Weil also die Weisheit als Gabe des heiligen Geistes höher steht wie die Weisheit als Tugend in der Vernunft und mehr geeignet erscheint, die Seele mit Gott zu vereinen; deshalb ist es ihr eigen, nicht nur das Betrachten zu regeln, sondern auch die menschlichen Thätigkeiten. II. Das Göttliche ist an sich notwendig und ewig; aber es ist zugleich die Richtschnur für das Zeitliche und Zufällige. III. Vorher wird etwas an sich betrachtet als insoweit es zu Anderem in Beziehung steht. Der Weisheit also gehört zuerst an die Betrachtung des Göttlichen, das Schauen des Princips; und auf Grund dessen erst das Leiten des menschlichen Thätigseins gemäß den göttlichen Regeln. Nicht aber kommt Mühe und Bitterkeit in die menschliche Thätigkeit von diesen heiligen Regeln her; sondern vielmehr wird durch die Weisheit alle Bitterkeit des menschlichen Lebens in Süßigkeit verwandelt und die Arbeit in Erquickung und Ruhe.
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