Sechster Artikel. Man soll nicht Sorge tragen für die zeitlichen Dinge.
a) Das ist: I. Gegen Röm. 12.: „Wer da vorsteht, soll es mit Sorge thun.“ Gemäß Gottes Anordnung aber steht der Mensch den zeitlichen Dingen vor, nach Ps. 8.: „Alles hast Du ihm zu Füßen gelegt; die Schafe und die Rinder“ etc. II. Gegen 2. Thess. 3.: „Der nicht arbeitet, soll nicht essen.“ Arbeiten aber soll der Mensch wegen der zeitlichen Bedürfnisse. Also soll er dafür Sorge tragen. III. Gegen 2. Tim. 1.: „Da er nach Rom kam, hat er unter Sorgen mich gesucht.“ Also ist es lobenswert, für körperliche Werke der Barmherzigkeit Sorge zu tragen. Und so ist es auch lobenswert, wenn jemand für das Vermögen der Armen und Waisen Sorge trägt. Auf der anderen Seite spricht der Herr bei Matth. 6.: „Seid nicht in Sorgen, daß ihr sprechet, was werden wir essen, was werden wir trinken oder womit uns kleiden?“
b) Ich antworte, „Sorgen“ wolle eine Mühe besagen, um einen gewissen Zweck zu erreichen. Größere Mühe nun wird offenbar aufgewendet, wenn Furcht vorherrscht daß die Sache fehlschlägt, als wenn man seines Zweckes sicher ist. So kann nun die Sorge um das Zeitliche in dreifacher Weise unerlaubt sein: 1. von seiten des Gegenstandes, wenn wir Zeitliches für den Zweck selber nehmen; — 2. von seiten der angewandten Mühe, wenn überflüssige Mühe für zeitlichen Besitz aufgewandt und so die Beschäftigung mit geistigen Dingen gestört wird, wovor Matth. 13, 22.warnt, „die Sorgen dieser Zeit ersticken den Samen;“ — 3. von seiten unnötiger Furcht, daß das Notwendige für den zeitlichen Lebensunterhalt einmal fehlen könnte. Diese Furcht schließt der Herr in dreifacher Weise aus:
a) weil Gott noch größere Wohlthaten dem Menschen ohne dessen Sorge verliehen hat, nämlich Leib und Seele; —
b) weil Gott Tieren und Pflanzen zu Hilfe kommt ohne menschliche Sorge gemäß deren Natur; —
c) weil die göttliche Vorsehung besteht, deren Unkenntnis die Heiden dazu führt, daß sie in erster Linie um das Zeitliche besorgt sind. Deshalb will der Herr, unsere Hauptsorge solle auf geistige Güter sich erstrecken und wir sollen hoffen, daß uns das, was unsere Leibesnotdurft erheischt, zu teil werden wird, wenn wir das Unsrige thun.
c) I. Die zeitlichen Dinge sind dem Gebrauche des Menschen überwiesen; nicht aber damit er darin seinen Zweck sehe. II. Wer mit seiner Hände Arbeit sein Brot erwirbt, dessen Sorge ist nicht überflüssig, sondern eine maßvolle. Deshalb sagt Hieronymus zu Matth. 6.: „Sorget nicht; d. i. arbeiten soll man, aber unnötigen Kummer sich nicht machen.“ III. Die Werke der Barmherzigkeit haben zum Zwecke die heilige Liebe. Da ist also nichts Überflüssiges.
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