Siebenundzwanzigstes Kapitel. Das Ausgehen der göttlichen Personen. Überleitung.
„Ich bin vom Vater ausgegangen,“ sagt (Joan. 7.) der Sohn von Sich selber. Wenn der Tröster gekommen sein wird, der vom Vater ausgeht,“ sagt die ewige Wahrheit von der dritten Person in der Gottheit. (Joan. 15.) Wunderbar in der That ist, was Gott in der Tiefe seiner eigenen Natur thut! Schau' das erste Wunderbare. Beständig gehen die zwei göttlichen Personen vom Vater aus; aber ohne alle Bewegung und ohne einen Schatten von Vorübergehen. Da ist kein Werden, nur Sein besteht da. „Heute habe ich dich gezeugt;“ die Vergangenheit verbindet der Psalmist mit der Gegenwart, weil da nie Vergangenheit ist, sondern die eine Gegenwart alles, Vergangenheit sowohl wie Zukunft, umfaßt. „Was ist das, daß du gehst?“ (ruft Augustin aus 68. in Joan. Vado vobis parare). „Was ist das, daß du kommst? Verstehe ich recht, so bist du immer gegenwärtig da, wovon du ausgehst und bist immer zugleich schon da, wohin du gehst. Du gehst; d. h. du bist uns verborgen. Du kommst; d. h. du machst dich uns offenbar. Denn wenn du nicht da bleibst, um alles dorthin zu leiten, wohin wir durch ein gutes Leben eilen, wie soll uns doch daselbst ein Ort bereitet werden, wo auch wir bleiben und genießen können!“ Zum zweiten ist es wunderbar, wie das Ausgehen der zwei göttlichen Personen wohl im Augenblicke geschieht und ohne die mindeste Zeit in Anspruch zu nehmen; und doch ist es durchaus vollendet. Denn der Unendliche bedarf bei seinem Wirken keiner Zeit und der Allweise thut nichts als mit Allweisheit: „Jene unaussprechliche und unibegreifliche Weisheit erzeugt die Weisheit, Allmacht erzeugt Allmacht; von Gott wird Gott geboren; vom Allvollendeten der Allvollendete.“ (Zeno Veron. sermo I. de Gene. aet.) Zum dritten ist es wunderbar, daß das Ausgehende in Gott unaufhörlich vom Princip ausgeht, ohne daß dieses irgendwie dabei ermüdet: „Dies ist der Ratschluß für die Welt,“ sagt Cyprian (de mortalitate), „daß was entsteht, vergeht; was entwickelt worden alt, das Kraftvolle schwach, das Große klein wird; damit es endlich zu Ende gehe. Aber durch dieses Naturgesetz ist nicht gebunden der Urheber der Natur. Er arbeitet Sich nicht müde, weder wenn Er nach außen hin alles durch ein Wort wirkt, noch wenn Er in Sich selbst vermittelst einer Kenntnis und einer Liebesflamme ausgehen läßt.“ Was aber ist leichter als ein Wort; mehr zu Diensten stehend wie die Kenntnis; was ist süßer wie die Liebe! Zum vierten ist es wunderbar; wie das Ausgehende immer alt ist und immer neu. Alt ist es, denn vor aller Zeit besteht es: „Sein Ausgehen,“ sagt der Prophet Michae. VI.), „ist von den Tagen der Ewigkeit her.“ Immer ist es trotzdem neu; denn täglich, stündlich, zu allen Augenblickenist es ein und dasselbe. „Gott ist,“ sagt Dionysius (5. de div. nom.), „das Maß der Zeiten; Er besteht vor den Zeitaltern.“ Und Paulus schreibt bezeichnend (1. Kor. 8.): „Christus ist gestern. Er ist heute immer Er selber und bis in alle Ewigkeit;“ gleichwie im selben Sinne es in der geheimen Offenbarung heißt (I. apoc.): „Der da ist, der da war, der da sein wird.“ Oder vielmehr faßt Augustin (I. Conf. cap. 4.) das diesbezügliche Wunderbare zusammen: „Niemals ist Er alt, niemals neu; alles erneuernd, und zum Alter geleitend die Hochmütigen.“ Zum fünften ist es wunderbar, wie die Endpunkte des Ausgehens in Gott immer vom betreffenden Princip ausfiießen und doch immer innerhalb ihres Princips bleiben: „Vom Vater geht der Sohn aus,“ sagt schön Chrysologus (serm. 17.); „aber Er ist nie von Ihm fern; und nicht als ob Er dem Vater nachfolgen wollte, geht Er hervor aus dem Vater, sondern damit Er immer in Ihm bleibe. Höre, wie Johannes sagt: Im Anfange war das Wort und das Wort war bei Gott! Was da war, das ist in der That nicht als neu hinzugetreten; was bei Gott war, hat sich von Gott nicht entfernt.“ Von Gott geht der Sohn aus, wie die Frucht von der Wurzel, wie der Fluß von der Quelle, wie der Strahl von der Sonne; und doch unterscheidet sich von der Sonne nicht der Sonnenstrahl. Zum sechsten ist es wunderbar, wie an jedem Orte die göttlichen Personen ausgehen und doch in keinem Orte stehen bleiben, von keinem Orte umschlossen sind: „Gott ist außen und innen,“ sagt Hilarius (de Trinit.) „drüber und im Innern; um alles herum und alles durchdringend.“ Denn da Gott unermeßlich ist, so erzeugt der Vater überall den Sohn und von beiden geht der heilige Geist aus. Das spricht der Heiland aus, wenn Er zur Samaritanerin sagt (Joan. 4.): „Es wird die Stunde kommen, da weder auf diesem Berge noch in Jerusalem ihr den Vater anbeten werdet. Die Stunde kommt und sie ist bereits da, daß die wahren Anbeter Gott anbeten werden im Geiste und in der Wahrheit: denn auch der Vater sucht solche, die Ihn anbeten: Geist ist Gott.“ Zum siebenten ist es wunderbar, wie die ganze göttliche Natur sich dem Sohne und dem heiligen Geiste mitteilt. Der eine Gott ist der Vater und Er giebt dem Sohne, daß Er der eine ganze Gott sei, und von beiden geht es aus in den heiligen Geist, daß Er der eine ganze Gott sei; nicht etwa derselbe Gott dem Wesen nach, wie zwei Menschen dieselbe Natur „Mensch“ haben: nicht der eine Gott wie zwei Freunde eins sind. Nein; durch die eine und selbe und ganze Substanz ist jede Person Gott. Nicht drei Allmachten sind in Gott, die durch irgend etwas verbunden wären; nicht drei Willen oder drei Arten Erkenntnis giebt es in Gott, welche unverbrüchliche Liebe etwa einigte. Nein; durch ein und dieselbe Allmacht ist der Vater allmächtig, durch welche der Sohn und der heilige Geist es ist; ein und derselbe Wille, ein und dieselbe Erkenntnis kommt dem Vater, dem Sohne und dem heiligen Geiste zu. Zum achten ist es wunderbar, wie im Ausgehen der zwei göttlichen Personen Fruchtbarkeit mit Reinheit vereint ist. „Die erste Jungfrau ist die heilige Dreiheit,“ ruft der Nazianzener begeistert aus. Denn der Vater zeugt. Was Er aber zeugt, ist Kenntnis; und die Kenntnis ist begründet in vollster Freiheit vom Stoffe und iw vollster Unvermischtheit mit allem Anderen. Sodann zeugt der Vater den Sohn ganz allein aus der Fülle seines Seins heraus; wie Maria aus sich allein, reinste Jungfrau bleibend, den Heiland zur Welt brachte. Der heilige Geist aber geht nicht vom Vater und vom Sohne aus, als ob beide sich vereinigten zu einem Princip; sondern der Vater ist vielmehr eigenes, selbständiges Princip des heiligen Geistes, wie der Sohn; ein jeder läßt von Sich ausgehen den heiligen Geist. Wie also alle Vaterschaft im Himmel und auf Erden vom Vater da oben ist und benannt wird; so leitet sich von Ihm auch alle Reinheit ab und findet in Ihm ihr vollkommenstes Muster. Hören wir nun, wie Thomas all dieses Wunderbare und noch unendlich viel mehr Wunderbares, „was da Gott in der Tiefe“ wirkt, im einzelnen begründet. Die Natur hat ihm bis jetzt dazu gedient, zur Kenntnis Gottes emporzusteigen; und herrlich erhob sich der felsenfeste Bau von der Gewißheit an, daß überhaupt ein Gott da sei durch die Einfachheit, die Vollkommenheit, die Unendlichkeit, die Ewigkeit, die Weisheit, die geheimnisvolle Vorherbestimmung, durch die Wahrheit und Güte Gottes hindurch bis zur glorreichen Seligkeit des Herrn in Sich selber, der Krone des Ganzen. Auf dem „Beweglichen“, dem „Veränderlichen“, dem „Möglichen“, dem „Unvollendeten“ und „Unvollkommenen“ baut der Engel der Schule; auf einem \textit{Fundamente, dem Anscheine nach so unbeständig wie es nur sein} kann. Aber seine Demut nimmt von allem dem kein einzelnes Sein der Geschöpfe aus. Schlechthin alles ist ihm Gott gegenüber „veränderlich“, „bestimmbar“, „möglich“, „unvollendet“, „unvollkommen“; und kann von sich allein aus nichts beitragen zu eigener Vollendung. Er erkennt nicht das eine als der Vollendung und der Bestimmung von außen her bedürftig an und leugnet es etwa vom anderen; dann wäre sein Fundament schwach gewesen. Nein; „Alles bedarf bei Ihm der Herrlichkeit Gottes.“ Alles ist volle Ohnmacht in sich, auch der geschöpfliche Wille, soweit auch immer er im Vergleiche zu anderem Geschöpflichen erhoben sein mag. Damit gerade gewinnt Thomas das festeste Fundament. Denn es muß ein in aller Fülle wirkender Grund da sein, der all diese gesamte Ohnmacht stark macht, ohne selber etwas verlieren zu können. Nun aber wird der Engel der Schule herniedersteigen, nicht mehr vom wirkenden Grunde zu den Wirkungen. Nein; vom inneren Wesen Gottes, soweit es übernatürlich offenbart worden, zu jener Natur, die da über alle ihre Kräfte hinaus berufen ist, in Gottes Wesen einst selber verherrlicht zu werden. Und Alles, was die bloße Natur über Gott geoffenbart, alles dies wird bestätigt und bekräftigt werden durch die übernatürlichen Geheimnisse, zumal durch deren Mittelpunkt, die heilige Dreieinigkeit. Was über Substanz, über Person, über Wollen und Erkennen; also über diese höchsten alles Kreatürliche umfassenden Begriffe; was darüber die reine Natur ausgesagt und was gedient hatte unter Abstreifung der Hülle des Nichts zum Göttlichen emporzusteigen; — das wird jetzt unter dem Firmamente des Himmels selber geschützt und befruchtet in seiner unerschütterlichen Wahrheit sich darstellen. Es wird unter dem Glänze der Offenbarung hineinleuchten gleichsam bis in das geheimnisvolle Innere Gottes. „Da wird,“ so sind die Worte Jobs (39.), die wohl passen auf den Engel der Schule, „da wird der Adler emporgehoben werden und in schwer zugänglichen Felsen wird er sein Nest bauen.“ Es liegt ja hier gerade jener Traktat vor, welchen der Engel der Schule mehr in heiliger Ekstase geschrieben haben soll als auf Grund seiner Studien. Wir aber sagen schon jetzt mit dem heiligen Leo (sermo 9. de nativ.): „Seien wir so recht überzeugt; es ist für uns ein Gut, daß wir besiegt werden. Niemand nämlich ist der Kenntnis der Wahrheit näher, als jener, der, möchte er auch in der Kenntnis der göttlichen Dinge schon weit vorangekommen sein, immer mehr einsieht, wie viel ihm fehlt.“
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