Erster Artikel. Es besteht in Gott ein „Ausgehen“.
a) Dagegen spricht: I. Daß ein „Ausgehen“ oder Hervorgehen eine Bewegung nach außen hin in sich einschließt. In Gott aber ist nichts Bewegliches und nichts Äußerliches. II. Das „Ausgehende“ und das, von dem es ausgeht, sind voneinander verschieden. In Gott aher besteht keine Verschiedenheit sondern höchste Einfachheit. III. Von einem Anderen ausgehen, scheint gegen die Natur des ersten Princips zu sein. Gott aber ist das erste Princip. Also in Gott besteht kein „Ausgehen“. Auf der anderen Seite sagt bei Johannes (8, 24.) der Herr: „Ich bin von Gott ausgegangen.“
b) Ich antworte, daß die heilige Schrift, wenn sie von Gott spricht, sich solcher Namen bedient, welche ein „Ausgehen“ bezeichnen. Dieses „Ausgehen“ haben die einen so, die andern anders ausgelegt. Die einen nahmen an, es sei ein Ausgehen wie das der Wirkung aus der Ursache. Zu diesen gehört Arius, der da sagte, der Sohn sei die erste Kreatur des Vaters; und der heilige Geist gehe von beiden aus, wie eine Kreatur beider. Demgemäß also wäre weder der heilige Geist noch der Sohn wahrer Gott. Das ist aber gegen Joan. ult. 20.: „Damit ... wir seien im wahrhaften Sohne desselben. Dieser ist Gott.“ Und vom heiligen Geiste heißt es (1. Kor. 6.): „Wißt ihr nicht, daß euere Glieder der Tempel des heiligen Geistes sind.“ Einen Tempel zu haben kommt aber nur Gott zu. Andere wieder nahmen an, dieses „Ausgehen“ sei wohl gemäß dem Hervorgehen der Wirkung von der Ursache; jedoch nur insoweit letztere den Anstoß giebt zur Wirkung oder derselben eine Ähnlichkeit von ihr einprägt. Und so sagte Sabellius, ebenderselbe Gott Vater werde Sohn genannt, insoweit Er aus der Jungfrau Fleisch angenommen hat; und heiße heiliger Geist, insoweit Er die vernünftige Kreatur heiligt und zum Leben hinbewegt. Dieser Annahme widersprechen die Worte des Herrn, der von Sich selber sagt (Joan. 5, 19.): „Nicht kann der Sohn von Sich aus etwas machen,“ und Ähnliches; woraus hervorgeht, daß nicht eben derselbe nämliche „Vater“ ist, der da „Sohn“ genannt wird. Wenn jedoch jemand die Sache mit SorgfAlt erwägt, so wird er finden, daß beide ein „Ausgehen“ annehmen nach außen hin. Keiner von ihnen behauptet ein „Ausgehen“ in Gott selbst. Da nun aber jegliches „Ausgehen“ gemäß einer Thätigkeit sich vollzieht, so giebt es ein doppeltes „Ausgehen“, wie es eine doppelte Art Thätigkeit giebt. Gemäß jener Thätigkeit nämlich, deren Zielpunkt ein außenliegender Stoff iß, die also, wie z. B. das Holzsägen, in einen außerhalb des Thätigseienden befindlichen Stoff übergeht, besteht ein Ausgehen nach außen hin. Gemäß jener anderen Thätigkeit aber, die sich im Handelnden oder im Thätigen selbst vollendet, deren Schlußpunkt also der Handelnde als Person ist, vollzieht sich ein Ausgehen nach innen hin. Und dies ist im höchsten Grade offenbar bei der Vernunft, deren Thätigkeit, nämlich das Erkennen, im Erkennenden bleibt. Denn wer thatsächlich erkennt, in dem geht dadurch allein, daß er erkennt, etwas aus innerhalb seiner selbst; und dieses „Etwas“ ist nichts Anderes wie die Auffassung des erkannten Dinges, die von dessen Kenntnisnahme ausgeht. Diese Auffassung wird nun ausgedrückt durch das „Wort“ und wird genannt das innere Wort, das im Herzen aufgefaßte Wort; sein äußerer Ausdruck ist das Wort, welches die Stimme ausspricht. Gott ist aber über alles. Und deshalb darf was als in Gott vorgehend ausgesagt wird nicht nach der Weise der niedrigsten Kreaturen verstanden werden, nämlich der Körper; sondern nach einer gewissen Ähnlichkeit mit den. höchsten Kreaturen, nämlich mit jenen, die vernünftiger Erkenntnis fähig sind; und auch die von diesen entnommene Ähnlichkeit ist weit entfernt, das Göttliche in entsprechend vollkommener Weise darzustellen. Nicht also darf das „Ausgehen“ in Gott gemäß dem Körperlichen aufgefaßt werden, wie als örtliche Bewegung oder wie die Thätigkeit einer Ursache nach einer ihr äußerlichen Wirkung hin; wie z.B. die der Wärme nach dem Erwärmbaren hin. Vielmehr muß das „Ausgehen“ in Gott in einer der vernünftigen Thätigkeit angemessenen Weise gedacht werden; wie also das Ausgehen des inneren Wortes vom Erkennenden, das da im Erkennenden als solchem bleibt. Und in solcher Weise behauptet der katholische Glaube ein „Ausgehen“
c) I. Der erste Einwurf wendet sich gegen ein „Ausgehen“, was mit einer örtlichen Bewegung oder einer Thätigkeit, die sich auf einen der Ursache äußerlichen Stoff richtet, gleichbedeutend wäre. Ein solches „Ausgehen“ aber findet sich nicht in Gott. II. Was nach außen hin aus einer Ursache hervorgeht, das muß verschieden sein von dieser; wie das Erwärmte von der Wärme. Was aber nach innen zu „ausgeht“, nämlich im Erkenntnisprozeß, das braucht nicht verschieeden zu sein. Im Gegenteil; mit je größerer Vollkommenheit es ausgeht, desto mehr ist es eins mit dem, wovon es ausgeht. Denn offenbar ist, je mehr etwas vestanden wird, die Auffassung in der Vernunft inniger verbunden mit dem Verstehenden und mehr eins mit ihm; ist doch die Vernunft gemäß dem, daß sie thatsächlich versteht, eins mit dem Verstandenen. Da also das göttliche Verstehen oder Erkennen höchster Vollendung sich erfreut, wie Kapitel 14, Art. 2 gesagt worden, so ist es notwendig, daß die göttliche Auffassung, das göttliche Wort, ganz vollkommen eins mit dem ist, von welchem es aufseht; und daß da keinerlei Unterschied existiert. III. Ausgehen von einem anderen als von einem äußerlichen und verschiedenen Principe; — das widerspricht der Natur des ersten Princips. Ausgehen aber von einem Principe als demselben ganz innerlich und ohne Verschiedenheit, nach Weise des Vernünftigen; — das wird in der Natur eines ersten Princips eingeschlossen. Denn wenn wir den Erbauer eines Hauses dessen erstes Princip nennen, so liegt darin eingeschlossen die Auffassung seiner Kunst, d. h. seine betreffende Kunstidee. Gott aber als erstes Princip des All steht im Verhältnisse zu den geschaffenen Dingen da wie der Künstler zum Kunstwerke.
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