Sechster Artikel. Jener, der da fremdes Gut genommen, muß in jedem Falle wiedererstatten.
a) Für die gegenteilige Behauptung spricht: I. Die Wiedererstattung stellt das Gleichmaß der Gerechtigkeit her, welches darin besteht, daß dem einen gegeben wird, was er zu wenig hat, und dem anderen entzogen, was er zu viel hat. Bisweilen aber hat jener, der etwas dem anderen entfremdet, dieses selber nicht mehr. Also muß jener zurückerstatten, der im Besitze ist, und nicht jener, der das betreffende Gut weggenommen hat. II. Keiner ist gehalten, sein Verbrechen selber aufzudecken. Dies aber würde z. B. beim Diebstahle geschehen, wenn jener, der denselben begangen, das fremde Gut zurückerstatten müßte. III. Die nämliche Sache braucht nicht des öfteren zurückerstattet zu werden. Bisweilen aber nehmen viele zugleich etwas und einer aus ihnen hat bereits das Ganze wiedererstattet. Auf der anderen Seite ist jener, der gesündigt hat, auch gehalten, Genugthuung zu leisten. Das Wiedererstatten aber ist zur Genugthuung gehörig.
b) Ich antworte, man müsse hier unterscheiden das genommene Gut und das Nehmen selber. Was das weggenommene Gut betrifft, so muß man es zurückgeben, solange man es bei sich hat; denn wer etwas darüber hinaus besitzt, was er „sein“ nennen kann, der muß es aufgeben und jenem zukommen lassen, dem es fehlt, gemäß dem Wesen der Tauschgerechtigkeit. Das Nehmen selber aber kann sich in dreifacher Weise verhalten: 1. Es ist ein ungerechtes, wenn nämlich jemandem gegen seinen Willen etwas genommen wird wie beim Diebstahle und beim Raube; dann muß wiedererstattet werden sowohl auf Grund des genommenen Gutes wie ebenso auf Grund der ungerechten Handlung, mag auch das betreffende Gut selber nicht mehr bei jenem sein, der es genommen. Wie nämlich jemand, der einen anderen mißhandelt, gehalten ist, die Mißhandlung zu sühnen, obgleich nichts bei ihm bleibt; so ist der Dieb gehalten, Ersatz zu leisten für den angerichteten Schaden, auch wenn er nichts davon hat, und weiter muß er noch dazu für das begangene Unrecht gestraft werden. Es kann 2. jemand das Gut eines anderen an sich nehmen; wohl zu seinem Nutzen, aber ohne diesem Unrecht zu thun, nämlich mit dem Willen des Besitzers, Wie dies z. B. in Anleihen der Fall ist; dann ist der Schuldner zur Wiedererstattung dessen verpflichtet, was er genommen, nicht nur auf Grund des geliehenen Gutes, sondern ebenso auf Grund des Ansichnehmens, mag er auch das Gut selbst verloren haben. Denn er ist verpflichtet, jenen schadlos zu halten, der ihm die Gunst erwiesen hat, zu leihen. Es kann jemand 3. das einem anderen gehörige Gut an sich nehmen, mit dem Willen des anderen und ohne eigenen Nutzen, wie dies beim anvertrauten Gute der Fall ist; — und dann ist dieser zu nichts gehalten, wenn das Ansichnehmen allein in Betracht kommt, denn damit hat er ja einen Dienst dem anderen geleistet; er ist nur zur Wiedererstattung verpflichtet auf Grund des anvertrauten Gutes. Wenn er deshalb des letzteren ohne seine Schuld verlustig geht, so braucht er nicht zurückzuerstatten; sonst muß er wiedererstatten, wenn nämlich seine Schuld eine bedeutende ist.
c) I. Das Wiedererstatten richtet sich nicht unmittelbar darauf, daß jener, der mehr hat als er soll, dies zu besitzen aufhöre; sondern daß dem das Fehlende ersetzt werde, der zu wenig hat. In den Dingen also, wo einer vom anderen empfängt ohne dessen Nachteil, findet sich kein Wiedererstatten; wenn z. B. der eine Licht nimmt an der Kerze des anderen. Mag somit auch jener, der ein Gut weggenommen hat, nicht mehr im Besitze dessen sich befinden, was er genommen, sondern dies in den Besitz eines anderen übergegangen sein; — so muß trotzdem, weil der eigentliche Besitzer seines Eigentums beraubt ist, sowohl jener wiedererstatten, der unerlaubterweise genommen hat, und zwar auf Grund seiner unerlaubten Handlung; als auch jener, der das betreffende Gut hat, auf Grund dieses Gutes selber. II. Der Mensch braucht wohl sein Verbrechen nicht vor den Menschen zu bekennen; er muß es aber vor Gott bekennen in der Beichte. Und so kann vermittelst des Priesters, dem er beichtet, das Wiedererstatten geschehen. III. Das Wiedererstatten hat zum Zwecke die Entfernung des Nachteils desjenigen, dem man Unrecht gethan. Hat also der eine vollständig wiedererstattet, so brauchen es die anderen nicht zu thun; sie sind vielmehr gehalten demjenigen ihren Teil zu erstatten, der das Ganze bereits zurückgegeben hat; jedoch kann dieser letztere ihnen dies erlassen.
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