Dritter Artikel. In Ehren- und Achtungsbezeigungen kann die Sünde des Ansehens der Person sich finden.
a) Das scheint nicht der Fall zu sein. Denn: I. Die Ehre ist nichts Anderes, „wie die jemandem erzeigte Achtung als ein Zeugnis seiner Tugend oder seiner Vorzüge.“ (1 Ethic. 5. et 12.) Die Oberen aber und die Fürsten, wenn sie auch schlecht sind, sollen wie ebenso die Eltern in Ehren gehalten werden. Dasselbe ist der Fall bei den Herren von seiten der Dienstleute, nach 1. Tim. 6.: „Wer das Joch eines Knechtes trägt, soll seine Herren aller Ehre für wert erachten.“ Also ist kein Ansehen der Person. II. Lev. 19. heißt es: „Vor dem weißen Haupte stehe auf und ehre die Person des Greises.“ Manche Greise aber sind lasterhaft, nach Dan. 13.: „Es ging aus die Bosheit von den Altesten des Volkes.“ Also wäre da em Ansehen der Person. III. Zu Jakob. 2, 2. sagt Augustin (ep. 167.): „Wenn das, was Jakobus sagt: Tritt in euere Versammlung ein Mann mit goldenem Ringe, von den täglichen Gesellschaften verstanden wird, wer sündigt da nicht, vorausgesetzt daß er sündigt?“ Das heißt aber die Person ansehen, wie Gregor (hom. 28. in EvgI.) sagt: „Unser Stolz wird zu Schanden, weil wir in den Menschen nicht die Natur, in der sie nach dem Bilde Gottes gemacht sind, ehren, sondern den Reichtum.“ Also ist nach Augustin das Ansehen der Person nach dieser Seite hin keine Sünde. Auf der anderen Seite sagt die Glosse zu Jakob. 2, 2.: „Wer einen Reichen wegen des Reichtums ehrt, sündigt;“ und dasselbe gilt dann von anderen Ursachen, die nicht geeignet sind, jemanden würdig zu machen der Ehrenbezeigungen.
b) Ich antworte, die Ehre sei ein Zeugnis für die Tugend in dem, der geehrt wird. Nur also die Tugend ist gebührende Ursache von Ehrenbezeigungen. Die Fürsten und Oberen nun werden geehrt, insoweit sie die Person Gottes gleichsam vorstellen, also auf Grund der Macht Gottes; und ebenso, insoweit sie das Gemeinwesen, das sie leiten, vertreten, nach Prov. 26, 8.: „Der da einen Stein hineinwirft in einen Haufen des Merkur, so ist jener, der den Thoren Ehre bezeigt.“ Denn weil die Heiden dem Merkur die Kunst des Rechnungs- und Kassenwesens zuschrieben, wird hier gesagt „Haufe des Merkur“, nämlich wie der Kaufmann manchmal in die Kasse ein Steinchen wirft anstatt hundert Mark. In dieser Weise wird der Thor geehrt, der Gottes Macht und das Gemeinwesen vertritt. Und so werden die Eltern und Herren geehrt, weil sie an der Würde Gottes Anteil haben, der aller Vater und Herr ist. Die Greise soll man ehren wegen des äußeren Zeichens der Tugend, was bisweilen freilich täuscht. Deshalb sagt Sap. 4.: „Das Greisenalter ist ehrwürdig, nicht jenes, das sich aus langen Jahren zusammensetzt; sondern weiß sollen sein die Sinne des Menschen und das wahre Greisenalter ist ein unbeflecktes Leben.“ ,Die Reichen soll man ehren, weil sie im Gemeinwesen eine höhere Stelle einnehmen. Ehrt man sie bloß wegen des Reichtums, so ist das die Sünde des Ansehens der Person.
c) Damit beantwortet.
