Vierter Artikel. In den gerichtlichen Urteilen findet sich ebenso die Sünde des Ansehens der Person.
a) Das wird bestritten. Denn: I. Das gerichtliche Urteil bezieht sich hauptsächlich auf die Tauschgerechtigkeit. Die hier erwähnte Sünde aber richtet sich gegen die verteilende Gerechtigkeit. II. Die Strafen gründen sich auf ein Urteil. Nun wird in der Bestimmung der Strafe die Person angesehen, ohne daß da Sünde wäre; denn wer einen Fürsten mißhandelt, wird härter bestraft. Also besteht da keine Sünde des Ansehens der Person. III. Ekkli. 4.: „Im Urteilen sei barmherzig mit den Waisen.“ Das heißt aber die Person ansehen, nämlich die Person des armen. Auf der anderen Seite heißt es Prov. 18.: „Die Person ansehen im Urteilen ist nicht gut.“
b) Ich antworte, das Urteil sei ein Akt der Gerechtigkeit, sofern der Richter zum Gleichmaße zurückführt das, was geeignet ist, Ungleichheit zu machen. Die Person ansehen aber schließt eine Ungleichheit in sich ein; denn es wird da einer Person etwas zugeteilt, was ihrem Verhältnisse, worin das Gleichmaß der Gerechtigkeit besteht, nicht entspricht. Und also ist die Person ansehen ein Verderben für das Urteil.
c) I. Das Urteil mit Rücksicht auf die geurteilte Sache betrachtet, steht in gleichem Verhältnisse zur Tausch- und zur verteilenden Gerechtigkeit; denn ebenso gut kann geurteilt werden, wie etwas Gemeinsames auf die einzelnen zu verteilen sei und wie einer wiedererstatten soll was er genommen. Dann kann jedoch das Urteil noch betrachtet werden mit Rücksicht auf die Urteilsform selber, insoweit, auch in der Tauschgerechtigkeit, der Richter dem einen nimmt und dem anderen giebt; das gehört zur verteilenden Gerechtigkeit. Und mit Bezug darauf hat man in jedem Urteile Gelegenheit, die Sünde des Ansehens der Person zu begehen. II. Die Verschiedenheit der Person macht hier auch einen sachlichen Unterschied; das Unrecht selber in der Mißhandlung eines Fürsten ist objektiv größer und wird somit schwerer bestraft. (Kap. 58, Art. 10; Kap. 61, Art. 2 ad III.) III. Ohne die Gerechtigkeit zu verletzen, soll der Mensch im Urteilen dem armen beistehen. Deshalb heißt es Exod. 23.: „Auch des armen sollst du dich nicht erbarmen im Gerichte.“
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