Fünfter Artikel. Diebstahl ist immer Sünde.
a) Dies wird bestritten. Denn: I. Gott schreibt nichts Unrechtes vor, nach Ekkli. 15, 21. Exod. 12. aber heißt es: „Die Kinder Israels thaten, wie der Herr durch Moses befohlen,… und sie stahlen den Ägyptern.“ II. Wer etwas findet, was ihm nicht gehört und es als sein Eigen betrachtet, scheint einen Diebstahl zu begehen. Das scheint aber nach den Juristen der natürlichen Billigkeit gemäß zu sein. (§ 18, 39 u. 46 de rer. divis.) III. Einen Diebstahl begeht, wer eine Sache, die ihm gehört, einem anderen heimlich entwendet, dem sie anvertraut war. Dieser aber handelt nicht gegen die natürliche Gerechtigkeit; also sündigt er nicht und somit ist nicht jeder Diebstahl Sünde. Auf der anderen Seite steht das siebente Gebot. (Exod. 20, 15.)
b) Ich antworte, der Diebstahl sei unter zwei Gesichtspunkten Sünde: 1. weil er gegen die Gerechtigkeit ist, die jedem das Seine zuteilt; — und 2. auf Grund von List und Trug, was sich im Diebe findet; „denn wie aus dem Hinterhalte nimmt er fremdes Gut.“ Also jeder Diebstahl ist offenbar Sünde.
c) I. Wenn der Richter bestimmt, man solle etwas an sich nehmen von einem anderen, so ist dies schon nicht mehr Diebstahl. Denn durch öffentliches Urteil ist es dem betreffenden zugesprochen, also steht es nicht mehr als fremdes Gut da. Noch weniger also war es Diebstahl, was die Juden auf den Ausspruch Gottes hin den Ägyptern entnahmen als Ersatz für die Leiden, welche ohne Ursache die Ägypter ihnen zugefügt hatten; weshalb Sap. 10. es heißt: „Die Gerechten trugen die Beute der Gottlosen fort.“ II. Manche gefundene Dinge waren niemals unter den Gütern jemandes, wie die Edelsteine in der Erde, die Perlen am Meeresstrande, Schätze, die man vor alters in der Erde vergraben und deren Besitzer unbekannt sind; solche gehören dem Finder, der nach den bürgerlichen Gesetzen die Hälfte dem Besitzer des Ackers geben muß, wo sie gefunden worden. Deshalb heißt es in der Parabel Matth. 13., daß jener, der einen Schatz im Acker gefunden, diesen kaufte; um gleichsam das Recht zu haben, den ganzen Schatz zu besitzen. Andere Dinge, die man findet, gehörten in der allerletzten Zeit noch einem anderen; und mit Rücksicht darauf begeht jener keine Sünde, der sie findet und in der Absicht, sie dem Herrn zurückzugeben, behält; — und ähnlich wenn jemand Sachen findet und behält, die für gänzlich verlassen angesehen werden müssen, begeht er keinen Diebstahl. Sonst ist da Diebstahl, nach Augustin: „Du hast etwas gefunden und nicht zurückgegeben; du hast es geraubt.“ (19. de verb. Apost. 8.) III. Wer die einem anderen anvertraute Sache heimlich an sich nimmt, beschwert diesen, der sie entweder wiedergeben oder zeigen muß, er sei unschuldig; also sündigt er ohne Zweifel und ist gehalten, den anderen als unschuldig hinzustellen und ihn schadlos zu halten. Wer aber heimlich sein Eigentum an sich nimmt, was der andere mit Unrecht bei sich behält, sündigt wohl; nicht aber weil er jenen beschwert und deshalb zu irgend welcher Schadloshaltung verpflichtet wäre, sondern er fehlt gegen die Gerechtigkeit im Gemeinwesen, insofern er eigenmächtig urteilt, sein Eigentum dem anderen zu entreißen und sich nicht an die Rechtsordnung hält. Daher muß er Gott gegenüber Genugthuung leisten; und ist ein Ärgernis daraus entstanden bei den Mitmenschen, muß er dieses entfernen.
