Vierter Artikel. Raub und Diebstahl unterscheiden sich dem Wesen nach.
a) Dagegen spricht: I. Das „Heimliche“ und „offen Gewaltsame“, wodurch der Diebstahl sich vom Raube unterscheidet, machen in den anderen Arten Sünde keinen Wesensunterschied; also auch nicht hier. II. Der Zweck bewirkt den Unterschied im Wesen der moralischen Handlungen. Raub und Diebstahl aber haben den nämlichen Zweck. III. Wie man etwas raubt, um es zu besitzen; so raubt man ein Weib, um sich daran zu ergötzen. In der letzteren Sünde aber macht es keinen Unterschied, ob das Weib öffentlich oder insgeheim geraubt wird; also ist dies auch nicht mit Rücksicht auf eine zu besitzende Sache der Fall. Auf der anderen Seite unterscheidet Aristoteles (5 Ethic. 2.) den Diebstahl als etvas Heimliches vom Raube, weil dieser etwas offen Gewaltsames ist.
b) Ich antworte, Diebstahl und Raub richten sich gegen die Gerechtigkeit; denn keiner leidet ein Unrecht, weil er dasselbe will. Daß also das Ansichnehmen fremden Gutes auf seiten des besitzenden ein unfreiwilliges ist, bildet den Wesenscharakter der Sünde beim Diebstahle und beim Raube. Das Unfreiwillige aber wird geteilt in ein solches, was in Unkenntnis seinen Grund hat; und in solches, was von der Gewalt herkommt. Und danach also ist ein anderes das Wesen des Diebstahles und ein anderes das des Raubes.
c) I. In den der Gerechtigkeit entgegengesetzten Sünden allein hängt der Wesenscharakter der Sünde vom Unfreiwilligen ab; wo also im Unfreiwilligen eine wesentliche Unterscheidung eintritt, da auch in den entsprechenden Sünden. II. Der entferntere Zweck ist wohl der nämliche; aber nicht der nähere. Denn der Dieb will durch Schlauheit fremdes Gut erlangen, der Räuber durch Gewalt. Und danach ist der Unterschied im Wesenscharakter. III. Der Raub eines Weibes kann nicht ein heimlicher sein auf seiten des geraubten Weibes; dieser wird in jedem Falle Gewalt angethan.
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