Vierter Artikel. Der mit Recht zum Tode verurteilte darf nicht gewaltsamen widerstand leisten, wenn er es auch könnte.
a) Dem steht entgegen: I. Wozu die Natur hinneigt, das ist immer erlaubt. Die Natur aber widersteht den verderblichen Einflüssen. Also kann der zum Tode verurteilte widerstehen, daß er nicht sterbe. II. Erlaubt scheint es, zu fliehen; also auch, positiv zu widerstehen. Denn Prov. 9. heißt es: „Halte dich fern von einem Menschen, der die Gewalt hat zu töten; und du wirst nicht notwendig haben, dich vor dem Tode zu fürchten.“ III. Prov. 24. heißt es: „Errette jene, die zum Tode geführt werden; die da zum Untergange gezogen werden, höre nicht auf zu befreien.“ Mehr aber ist jemand sich selbst wie einem anderen gegenüber verpflichtet. Auf der anderen Seite „widersteht Gottes Anordnung, wer der vorgesetzten Gewalt widersteht“ (Röm. 13.) „und zieht sich die Verdammnis zu;“… „denn die Gewalt ist eingesetzt zum Lobe der Guten, zur Bestrafung der Bösen.“
b) Ich antworte, wer gerechtermaßen zum Tode verurteilt wird, dürfe keinen Widerstand leisten. Denn erlaubterweise kann der Richter den so widerstehenden bekämpfen; also ist von seiten des letzteren der Kampf unerlaubt und sündigt er ohne Zweifel. Wird aber jemand ungerechterweise verurteilt, so ist ein solches Urteil ein Räuberurteil, nach Ezech. 22.: „Seine Fürsten sind in seiner Mitte, wie Wölfe, die auf Beute ausgehen und auf Blutvergießen.“ Wie man also den Räubern Widerstand leisten kann, so auch den schlechten Fürsten; wenn nicht das Gegenteil geboten wird durch die Pflicht, Ärgernis zu vermeiden, insofern daraus schwere Unordnung entstehen kann.
c) I. Deshalb hat der Mensch seine Vernunft, damit er das, wozu die Natur hinneigt, nicht von ungefähr, sondern gemäß der Ordnung der Vernunft befolge. Also nicht jede Selbstverteidigung ist erlaubt, sondern einzig die gemäß gerechter Richtschnur sich vollziehende. II. Keiner wird in der Weise zum Tode verurteilt, daß er sich selbst den Tod bereite, sondern daß er selben leide. Also ist er nicht gehalten, das zu thun, woraus der Tod folgt; wie am Orte bleiben, von wo er zum Tode geführt wird. Er darf aber nicht gewaltsam widerstehen demjenigen, der ihn zum Tode führt. So sündigt jener, der zum Hungertode verurteilt ist, nicht, wenn er Speise zu sich nimmt, die ihm heimlich zugebracht wird; das Gegenteil wäre: sich selbst töten. III. Damit soll nicht gesagt werden, es sei erlaubt, jemanden mit Gewalt vom Tode zu befreien, der gerechtermaßen verurteilt ist; dies wäre Sünde gegen die Gerechtigkeit. Also darf auch niemand sich selbst durch positiven Widerstand gegen die rechtmäßig angewendete Gewalt vom Tode befreien.
