Erster Artikel. Es darf eine Sache nicht um einen höheren Preis verkauft werden als ihr Wert es verlangt.
a) Dies ist ganz wohl gestattet. Denn: I. Das „Gerechte“ wird bestimmt nach den bürgerlichen Gesetzen, soweit es den vorliegenden Punkt betrifft. Die bürgerlichen Gesetze (ex Cod. lib. 4. tit. 44.) aber gestatten, daß der Käufer und Verkäufer sich gegenseitig täuschen; daß nämlich der Käufer billiger einkaufen und der Verkäufer teuerer verkaufen kann als die betreffende Sache wert ist. II. Was ganz allgemein im Gebrauche ist, scheint naturgemäß und erlaubt zu sein. Augustin aber berichtet (13. de Trin. 3.) den Ausspruch eines Darstellers wie einen allgemein angenommenen: „Billig wollt ihr kaufen und teuer verkaufen.“ So sagt auch Prov. 20.: „Die Sache ist schlecht, schlecht, sehr schlecht, sagt jeder Käufer; und hat er sie, so geht er und rühmt sich.“ III. Es scheint nicht unerlaubt, wenn Jenes auf Grund gegenseitigen Übereinkommens geschieht, was bereits die Sitte des Anstandes erfordert. Nach Aristoteles aber darf in der Freundschaft, die auf Nutzen abzielt, ein Satz als erlaubt angesehen werden für den Nutzen, welchen der die betreffende Wohlthat erhaltende gehabt hat; dieser Nutzen jedoch übersteigt manchmal den Wert der gegebenen Sache, wie z. B. wenn der sie erhaltende deren bedarf oder wenn damit eine Gefahr vermieden wird oder ein bedeutender Vorteil erlangt wird. Also kann man auch im Kauf und Verkauf etwas teuerer verkaufen als das betreffende Ding wirklichen Wert hat. Auf der anderen Seite heißt es Matth. 7.: „Alles was ihr wollt daß euch die Menschen thuen; das thuet ihnen auch.“ Niemand aber will, daß man ihm eine Sache teuerer verkauft als sie Wert hat.
b) Ich antworte, Betrug anwenden, damit man etwas über den echten Wert hinaus verkaufe, sei durchaus unerlaubt und sei Sünde; denn da täuscht jemand den anderen zu dessen Nachteil. Deshalb sagt Cicero (3. de offic.): „Bei Kauf und Verkauf sowie bei jedem Übereinkommen muß alle Lüge fernbleiben. Weder der Verkäufer soll einen scheinbar überbietenden anstellen, noch soll der Käufer jemanden nehmen, der scheinbar ihn unterbietet.“ Abgesehen also vom Truge, können wir über Kauf und Verkauf in doppelter Weise sprechen: 1. An und für sich, in seinem Wesen betrachtet. Danach ist Kauf und Verkauf eingerichtet zum gemeinsamen Nutzen, daß nämlich der eine erlangen kann das, was dem anderen gehört, wenn er dessen bedarf. (1. Po!it. 6.) Was nun zum gemeinsamen Nutzen eingerichtet ist, das darf nicht den einen mehr beschweren wie den anderen; und so muß gemäß der Gleichheit in den Sachen hier das Übereinkommen abgeschlossen werden. Der Wert einer Sache aber, welche in den Gebrauch eines Menschen kommt, wird bemessen nach dem gegebenen Preise; wozu ja die Münze erfunden ist. (5 Ethic. 3.) Wenn die Sache also mehr wert ist wie der gegebene Preis; oder umgekehrt mehr gezahlt wurde wie diese Sache wert ist, so wird die ausgleichende Gerechtigkeit verletzt. An sich betrachtet also ist wohlfeiler oder teuerer eine Sache kaufen wie dieselbe Wert hat, ungerecht und unerlaubt. 2. Mit Rücksicht auf den Nutzen oder Schaden der betreffenden Personen. Dies trifft ein, wenn jemand einer Sache dringend bedarf und auf der anderen Seite der Besitzer Schaden hat, wenn er derselben ermangelt. In solchem Falle muß man beim Ankaufe auch den Schaden dessen, der verkaufen soll, berücksichtigen; und da kann der Preis höher sein wie der Wert der Sache an sich, er ist dann eben nur so hoch wie der Wert, den die betreffende Sache für den Besitzer hat. Nützt jedoch diese selbe Sache viel dem ankaufenden, und der Verkäufer erleidet keinerlei Nachteil durch den Verkauf, so darf letzterer sie nicht teuerer verkaufen; denn der Nutzen ist in diesem Falle einzig und allein mit der Lage des kaufenden gegeben, er hängt in nichts ab vom verkaufenden. Niemand aber darf dem anderen verkaufen was nicht sein ist; obgleich er den Nachteil verkaufen kann, den er im gegebenen Falle erleidet. Jedoch kann jener, der vom Kaufe viel Nutzen hat, freiwillig etwas über den Wert der Sache dem Verkäufer geben; das gehört zum Lebensanstande des Käufers.
c) I. Das menschliche Gesetz kann nicht alles Tugendhafte gebieten; denn viele sind im Bereiche des bürgerlichen Gemeinwesens, welchen viel an Tugend fehlt. Das menschliche Gesetz verbietet deshalb nur das, was das Zusammenleben zerstören würde. Das Andere verbietet es nicht; freilich nicht als ob es dasselbe billigte, sondern weil es nicht straft. So bestraft also das menschliche Gesetz es nicht, wenn der Verkäufer, ohne zu betrügen, seine Sachen über den Wert verkauft, oder der Käufer unter dem Werte kauft; es sei denn der Überschuß zu bedeutend, wo dann auch das menschliche Gesetz Wiedererstattung auflegt, z. B. wenn um die Hälfte des gerechten Wertes zu viel gezahlt worden ist. Das göttliche Gesetz aber läßt nichts unbestraft, was der Tugend entgegen ist. Und danach ist jener, der über das Gleichmaß der Gerechtigkeit hinaus Schaden verursacht hat, gehalten zur Wiedererstattung. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, daß der gerechte Preis der Dinge nicht mit der Unteilbarkeit eines Punktes bestimmt ist, sondern gemäß der Wertschätzung eine gewisse Weite hat, so daß ein mäßiges Hinzufügen oder ein mäßiges Hinwegnehmen das gleiche Maß der Gerechtigkeit nicht gefährdet. II. Augustin fügt dort hinzu: „Jener Schauspieler sprach so, weil er sich selber ansah oder an anderen die entsprechende Erfahrung gemacht hatte, und glaubte sonach, es sei dies ein allgemeiner Brauch: billig einkaufen teuer verkaufen. Dies ist aber in Wahrheit eine Sünde; und jeder kann zu solcher Gerechtigkeit gelangen, daß er derartigem Brauche, wo er ist, widerstehe und ihn für seine Person überwinde.“ Dabei erzählt er als Beispiel, wie jemand, der von einem unkundigen ein wertvolles Buch billig gekauft, diesem den gerechten Preis gab, nachdem er sich von dem Werte des Buches überzeugt hatte. Jenes Verlangen also gehört denjenigen zu, die auf dem breiten Wege der Laster wandeln. III. Im Kauf und Verkauf ist das objektive Gleichmaß in den entsprechenden Sachen entscheidend; in der auf dem Nutzen begründeten Freundschaft die Gleichmäßigkeit des Nutzens. Da muß also gemäß dem erhaltenen Nutzen Ersatz geleistet werden; in Kauf und Verkauf gemäß dem objektiven Wert der betreffenden Sachen.
