Fünfter Artikel. Die Gottesverehrung ist keine theologische Tugend.
a) Dem scheint entgegenzustehen: I. Augustin, der (Enchir. 3.) sagt: „Gott wird verehrt durch Glaube, Hoffnung, Liebe,“ welche theologische Tugenden sind. Gott verehren aber gehört zur Gottesverehrung oder Religion. Also ist diese eine theologische Tugend. II. Die Gottesverehrung hat, wie das für die theologischen Tugenden erfordert ist, Gott zum Gegenstande. III. Die Gottesverehrung ist keine Tugend, die ihren Sitz in der Vernunft hat; denn ihre Vollendung vollzieht sich nicht unter dem Gesichtspunkte des Wahren. Sie ist auch keine moralische Tugend; denn deren Vollendung ist es, die rechte Mitte einzuhalten zwischen dem „zu viel“ und zu „wenig“, während niemand Gott zu viel ehren kann, nach Ekkli. 43.: „Preiset Gott und erhebet Ihn so viel ihr könnt, denn größer ist Er als alles Lob.“ Also ist sie eine theologische Tugend. Auf der anderen Seite ist sie eine zur Gerechtigkeit hinzutretende Tugend.
b) Ich antworte, zweierlei sei in der Gottesverehrung zu beachten: 1. das, was sie Gott darbringt, nämlich einen Kult; und das ist wie der Gegenstand und bestimmbare Stoff in dieser Tugend; — 2. der, dem sie darbringt, nämlich Gott; und da erreichen ihre Akte, mit denen sie Gott verehrt, nicht Gott selbst; wie z. B., wenn wir glauben, wir Gott im Glauben, nämlich seine Wahrheit unmittelbar erreichen. Deshalb ward oben gesagt, Gott sei der Gegenstand des Glaubens; nicht nur weil wir an Gott glauben, sondern weil wir Ihm, unserem Gotte, glauben. Gott aber bringen wir den gebührenden Kult dar, insofern die einzelnen Thätigkeiten, mit denen Gott verehrt wird, zur Ehre Gottes sich vollziehen. Also steht Gott offenbar zur Gottesverehrung nicht in Beziehung wie der Gegenstand, sondern vielmehr wie der Zweck. Und somit ist die Gottesverehrung nicht eine theologische Tugend, deren Gegenstand unmittelbar der letzte Endzweck ist; sondern eine moralische Tugend, die sich mit dem Zweckdienlichen beschäftigt. ) I. Die Tugend, welche sich mit dem Zwecke beschäftigt, setzt durch ihren Befehl in Bewegung die Vermögen und die Tugenden, welche sich auf das Zweckdienliche richten. Die theologischen Tugenden nun beschäftigen sich mit Gott wie mit ihrem eigenen unmittelbaren Gegenstande. Und so verursachen sie durch ihren bestimmenden Einsiuß den Akt der Gottesverehrung,der da sich beschäftigt mit etwas, was auf Gott Bezug hat. Deshalb sagt Augustin, „Gott werde verehrt kraft des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe.“ II. Die Gottesverehrung ordnet den Menschen zu Gott hin; nicht wie zu ihrem unmittelbaren Gegenstande, sondern wie zum Zwecke. III. Die Gottesverehrung ist ein Teil der Gerechtigkeit. Und die rechte Mitte für sie ist nicht zwischen den verschiedenen, einander entgegengesetzten Leidenschaften, sondern ist das Gleichmaß in den auf Gott gerichteten Thätigkeiten; ein Gleichmaß, nicht freilich schlechthin, aber nach dem Grade der menschlichen Möglichkeit und der Annahme von seiten Gottes. Überflüssig nun kann mit Bezug auf Gott nichts sein gemäß dem Umfange betrachtet aber nach mancherlei Umständen; wie wenn man Gott verehrt mit gewissen Kulthandlungen, wann man nicht soll, oder wenn diese Handlungen thut, wer nicht soll etc.
