Dritter Artikel. Nach den verschiedenen Arten heiliger Sachen bestehen verschiedene Gattungen Gottesraub.
a) Dies wird bestritten. Denn: I. Die rein materiale Verschiedenheit macht keinen Unterschied in den Gattungen. Ob es aber nun diese heilige Sache ist oder eine andere; der maßgebende bestimmende Grund, die ratio formaiis, für die Sünde des Gottesraubes bleibt immer derselbe. Also ist da kein Unterschied in den Gattungen von dieser Seite her. II. Totschlag, Diebstahl, Unkeuschheit können als verschiedene Gattungen Sünden nicht in der einen Gattung des Gottesraubes übereinkommen. Also müssen die Gattungen des Gottesraubes gemäß den Sündengattungen unterschieden werden; nicht gemäß der Verschiedenheit der heiligen Sachen. III. Unter den heiligen Sachen zählen auch die heiligen Personen. Würde also eine Gattung Gottesraub es sein, daß eine heilige Person verletzt würde, so wäre davon die Folge, daß jede Sünde, welche von einer solchen geheiligten Person begangen würde, einen Gottesraub bildete; denn jede Sünde verunehrt eine solch heilige Person; — dies ist aber unzulässig. Auf der anderen Seite werden die Thätigkeiten und Zustände unterschieden gemäß den Gegenständen. Die heilige Sache aber ist der Gegenstand des Gottesraubes. Also.
b) Ich antworte, die Sünde des Gottesraubes bestehe in der Verunehrung einer geheiligten Sache. Je nach dem Grade der Heiligkeit in solch geheiligten Sachen also, denen gegenüber ein Mangel an Ehrfurcht besteht, müssen im Gottesraube verschiedene Gattungen unterschieden werden. Denn um so größer ist der Gottesraub, je höhere Heiligung der betreffenden Sache zu teil geworden, die da verunehrt wird. Nun kommt Heiligung zu 1. den geheiligten Personen, d. h. jenen, die dem Kulte Gottes gewidmet sind; — 2. den heiligen Orten; — 3. den sonstigen heiligen Gegenständen. Da aber die Heiligkeit des Ortes wegen der Heiligkeit des Menschen da ist, der in diesem Orte Gott den Kult darbringt, denn „nicht wegen des Ortes hat Gott das Volk, sondern den Ort wegen des Volkes erwählt;“ so ist jene Sünde schwerer, welche gegen eine geheiligte Person begangen wird als die gegen einen heiligen Ort verübte. Und auf beiden Seiten hat dann der Gottesraub wieder verschiedene Grade der niedrigeren oder höheren Würde des Ortes und der Person. Unter den übrigen heiligen Sachen stehen nun an der Spitze die Sakramente selber; und unter diesen ist das erste die heilige Eucharistie, welche Christum selber enthält. Der Gottesraub also, der sich gegen dieses Sakrament richtet, ist der schwerwiegendste von allen. Nach den Sakramenten kommen dann die heiligen Gefäße, die den Sakramenten dienen; die heiligen Bilder, die Reliquien der Heiligen, in denen die Personen dieser Heiligen selbst gleichsam geehrt oder verunehrt werden; — dann was zum Schmucke der Kirchen und der Diener des Kultus gehört; — und endlich für den Unterhalt der letzteren bestimmt ist, seien dies bewegliche oder unbewegliche Dinge. Wer gegen eines von diesen Dingen sich vergeht, sündigt durch einen Gottesraub.
c) I. Nicht ist in den vorgenannten Dingen immer der nämliche maßgebend bestimmende Grund der Heiligung; also ist der Unterschied der heiligen Dinge ein formaler. II. Zwei Dinge können nach der einen Seite hin zu einer Gattung gehören und nach einer anderen Seite hin zu einer anderen; wie z. B. Sokrates und Plato übereinkommen in der Gattung des Sinnbegabten und sind verschieden in der Gattung des Farbigen, wenn der eine schwarz, der andere weiß ist. Und so können gemäß dem materialen Inhalte zwei Sünden in ihrem Wesenscharakter verschieden sein; aber übereinkommen in der formalen Beziehung des Gottesraubes wie wenn jemand eine gottgeweihte Jungfrau geschlagen und verletzt hat. III. Jede Sünde, die von einer gottgeheiligten Person begangen wird, ist im materialen Sinne, insoweit zu ihrem Wesenscharakter der Umstand hinzutritt, daß eine solche Person sie begeht, ein Gottesraub. Deshalb sagt Hieronymus (vielmehr Bernardus (2. de consideratione c. 11.): „Schwätzereien im Munde eines Priesters sind nicht mehr bloßes Geschwätz, sondern Lästerung.“ , Formal aber und so recht eigentlich ist jene Sünde einer gottgeweihten Person Gottesraub, die den Zweck hat, deren heiligen Charakter zu verletzen; wenn also z. B. eine Ordensperson Unkeusches treibt.
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