Dritter Artikel. Das Verhältnis des göttlichen Wesens zum Ausdrucke: allein.
a) Es scheint, daß der Ausdruck „allein“ den Bezeichnungen, die vom göttlichen Wesen gelten, nicht hinzugefügt werden darf. Denn: I. Aristoteles sagt (2 Ethic. cap. 3.): „Allein ist, wer nicht mit einem anderen ist.“ Gott aber ist mit den Engeln und Heiligen. Wir können also nicht sagen „den alleinseienden Gott“. II. Was auch immer zu den Bezeichnungen hinzugefügt wird, die dem Wesen Gottes gelten, kann auch an und für sich von jeder göttlichen Person und von allen zusammen ausgesagt werden. Wir können z. B. sagen, der Vater ist allweiser Gott, die Dreieinigkeit ist allweiser Gott; weil wir sagen, Gott ist allweise. Augustin (6 de Trin. 9.) aber sagt: „Jene Meinung muß nun erwogen werden, durch welche behauptet wird, der Vater sei nicht der alleinige wahre Gott.“ Also kann nicht gesagt werden: Der alleinige Gott. III. Der Ausdruck „allein“ wird mit der Bezeichnung des Wesens verbunden entweder mit Rücksicht auf ein Prädikat, welches der Person gilt, oder mit Rücksicht auf ein Prädikat, welches dem Wesen gilt. Nicht das erstere; denn dieser Satz ist falsch: Gott allein ist Vater, da auch ein Mensch Vater sein kann. Nicht das letztere; denn wenn dieser Satz richtig wäre: Gott allein erschafft, so scheint auch dieser richtig zu sein: Der Vater allein erschafft, da, was von Gott ausgesagt wird, auch vom Vater gelten kann. Ein solcher Satz aber wie der letztere ist falsch, da der Sohn ebenfalls Schöpfer ist. Also kann dieser Ausdruck „allein“ bei Gott nicht einer Wesensbezeichnung beigelegt werden. Auf der anderen Seite sagt der Apostel (1. Tim. 1.): „Dem Könige der Zeiten, dem Unsterblichen, dem Unsichtbaren, Gott allein sei“ etc.
b) Ich antworte, dieser Ausdruck „allein“ kann als „kategorematisch“ angesehen werden oder als „synkategorematisch“. „Kategorematisch“ wird jener Ausdruck genannt, welcher sich ohne weiteres auf irgend ein einzelnes für sich bestehendes Sein richtet und diesem die bezeichnete Sache beilegt; wie z. B. wenn ich „weiß“ vom Menschen aussage und so ohne jede weitere Voraussetzung von einem weißen Menschen rede; es ist also ein Ausdruck, der aus sich heraus rein und bestimmt behauptet. Und so kann das „allein“ mit keiner Bezeichnung verbunden sein, die von Gott ausgesagt wird; denn es würde mit dieser Bezeichnung die Vereinsamung verknüpfen. Es würde also folgen, daß Gott allein, d. i. vereinsamt wäre, was sich gegen das bereits Auseinandergesetzte richtet. „Synkategorematisch“ aber wird ein Ausdruck genannt, der da nur ein gewisses Verhältnis zwischen Prädikat und Subjekt einschließt und nur so, vorausgesetzt ein solches Verhältnis, etwas bezeichnet, aus sich heraus aber auf nichts geht, was im einzelnen bestimmt wäre. Dazu gehören die Ausdrücke „jeder“, „keiner“ etc. Und so wird auch das Wort „allein“ gebraucht, insoweit es jedes andere für sich bestehende Sein von der Gemeinsamkeit mit dem Prädikat ausschließt, also insofern es nur das Prädikat dem Subjekte zuschreibt, ohne damit vom Subjekte selber das „Vereinsamen“ auszusagen. So wird gesagt: Sokrates allein schreibt. Damit wird nicht besagt, daß Sokrates allein sei, sondern gemäß dem Verhältnisse zwischen Subjekt und Prädikat, daß nämlich er das Schreiben mit keinem gemeinsam habe, wenn auch viele andere bei ihm sind. Und in dieser Weise kann das „allein“ mit einer Wesensbezeichnung Gottes verbunden werden, insofern alles Andere von der Gemeinsamkeit des Prädikats, soweit dies von Gott gilt, ausgeschlossen wird; wie wenn wir sagen: Gott allein ist ewig. Damit wird von Gott nicht das Alleinsein ausgesagt, sondern daß kein anderes Wesen die göttliche Ewigkeit mit Ihm gemeinsam habe. LI.
c) Mögen auch die Engel und Heiligen immer mit Gott sein; dadurch würde nimmermehr ein „Einsamsein“ von Ihm ausgeschlossen werden; Er wäre in diesem Falle allein, einsam. Denn die Einsamkeit wird nicht entfernt durch jene Dinge, welche nicht dieselbe Natur haben. Wenn auch jemand z. B. im Garten inmitten vieler Pflanzen und Tiere sich befände, er würde dennoch „allein“ sein, einsam, wenn kein Mensch bei ihm wäre. Gott also würde in der Gesellschaft von Engeln und Menschen trotzdem „allein“ sein, da dieselben nicht seine Natur haben; wenn es nicht mehrere Personen in der göttlichen Natur gäbe. Noch viel weniger nun schließt die Gesellschaft von Engeln und Menschen für Gott das „Alleinsein“ aus mit Beziehung auf ein gewisses Prädikat. II. Der Ausdruck „allein“ wird im eigentlichen Sinne nicht auf seiten des Prädikats gesetzt, soweit dieses seinem Wesen nach genommen wird. Denn das „allein“ steht da mit Rücksicht auf das für sich bestehende Subjekt, insofern es ein anderes Subjekt von dem ausschließt, zu dem es hinzugesetzt erscheint. Dieses Adverbium aber „nur“, da es rein ausschließt, kann gesetzt werden auf seiten des Subjekts und auch auf seiten des Prädikats. Wir können z. B. sagen: Nur Sokrates läuft, d. h. kein anderer; und wir können sagen: Sokrates läuft nur, d. h. er thut nichts Anderes. Deshalb kann im eigentlichen Sinne gar nicht gesagt werden: Der Vater ist alleiniger Gott; oder: Die Dreieinigkeit ist alleiniger Gott; außer insofern auf seiten des Prädikates etwa noch etwas mitverstanden wird, wie: Die Dreieinigkeit ist Gott und dieser Gott ist allein Gott. Und in letzterem Sinne kann wahr sein, was gesagt wird: Der Vater ist Gott und dieser Gott ist allein Gott. Letzteres „und dieser Gott ist allein Gott“ würde sich dann nicht auf das Subjekt „Vater“ beziehen, als ob dieser allein Gott wäre, sondern auf das Prädikat „Gott“. Also: Der Vater ist der Gott, welcher allein Gott ist. Augustin aber versteht die Worte: „der Vater sei nicht der alleinige Gott, sondern die Dreieinigkeit sei der alleinige Gott“ als erklärende; wie wenn er spräche: Was da gesagt wird „dem Könige der Zeiten, Gott allein sei die Ehre“; das sei nicht zu verstehen von der Person des Vaters allein, sondern von der ganzen Dreieinigkeit. III. Auf jede von den beiden Weisen, die der Einwurf berührt, kann dieser Ausdruck „allein“ mit der Wesensbezeichnung verbunden werden. Denn dieser Satz ist zweideutig: Gott allein ist Vater. Das „Vater“ kann nämlich auf die Person des Vaters sich richten; und so ist der Satz wahr. Denn nicht ein Mensch ist jene Person, sondern Gott allein nur kann die Person des Vaters sein. Oder das „Vater“ richtet sich auf nichts als auf die Relation, einzig auf die Beziehung; und so ist der Satz falsch. Denn die Beziehung, die im Worte „Vater“ ausgesprochen liegt, findet sich noch in anderen, wenn auch nicht gleichartig. Ähnlich ist auch jener Satz wahr: Gott allein erschafft. Daraus folgt aber nicht, daß allein der Vater erschafft. Denn, wie die Philosophen sagen, macht eine ausschließende Behauptung das Subjekt unverrückbar, so daß von letzterem nicht zu dem hinabgestiegen werden kann, was an Einzelbestehenden, an supposita in selbem Seinskreise enthalten ist. Der Schluß wäre falsch: Der Mensch allein ist sinnbegabt und vernünftig. Sokrates ist Mensch. Also Sokrates allein ist sinnbegabt und vernünftig.
