Zweiter Artikel. Der Sohn ist ein anderer wie der Vater.
a) Dagegen spricht: I. „Ein Anderer“ drückt Verschiedenheit der Substanz aus. Danach wäre also der Vater verschieden vom Sohne; was Augustin (7. de Trin. ult.) leugnet mit den Worten: „Wenn wir sagen drei Personen, müssen wir an keine Verschiedenheit denken.“ II. Wer „ein Anderer“ ist in Beziehung zu jemandem, unterscheidet sich von diesem und dieser von ihm. Das ist aber rücksichtlich der Gottheit gegen Ambrosius (I. de fide ad Gratia. 2.), der da sagt: „Der Vater und der Sohn ist kraft der Gottheit eins; es besteht da weder eine Verschiedenheit in der Substanz noch irgend eine andere.“ III.Was „ein Anderes“ ist für jemand; das ist diesem fremd. Danach wäre also der Sohn in Gott dem Vater fremd und umgekehrt; was Hilarius (7. de Trin.) zurüchveist: „In dm göttllchen Personen ist nichts verschieden, nichts fremd, nichts trennbar.“ „Ein Anderer“ und „etwas Anderes“ bezeichnen ganz dasselbe. Ist also der Sohn rücksichtlich des Vaters ein „Anderer“, so ist Er auch „etwas Anderes“. Auf der anderen Seite sagt Augustin (Fulgentius, de fide ad Petrum, 1): „Eines ist das Wesen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. Denn nicht ein Anderes ist der Vater, nicht ein Anderes der Sohn, nicht ein Anderes der heilige Geist; obgleich der Person nach der Vater ein Anderer ist, ein Anderer der Sohn, und ein Anderer der heilige Geist.“
b) Ich antworte: Aus mißverständlichen und wirren Worten entstehen die Ketzereien, wie Hieronymus sagt (bei 4 Sent. dist 13. in fine). Deshalb muß man auf die heilige Dreieinigkeit Ausdrücke nur mit Vorsicht und Bescheidenheit anwenden. So sagt auch Augustin (I. de Trin. 3.): „Nirgends ist mit dem Irrtum mehr Gefahr verbunden, nirgends wird mit mehr Mühe nachgeforscht, nirgends etwas mit mehr Vorteil gefunden.“ Zwei Irrtümer müssen aber bei der Behandlung der heiligen Dreieinigkeit vermieden werden: Der des Arius, welcher eine Dreiheit göttlicher Substanzen annahm; und der des Sichellius, der mit der Einheit der Substanz auch die Einheit der Person bchauptete. Damit aber der Irrtum des Arius vermieden werde, darf man von Gott keineAussage machen, welche Verschiedenheit in der Sache und ein Anderssein in sich schlösse; sonst wäre die Einheit des Wesens geleugnet. Solcher Namen also dürfen wir uns nach dieser Seite hin bedienen, welche einzig und allein auf Grund des relativen Gegensatzes einen Unterschied ausdrücken. Wo sonach in der heiligen Schrift eine Verschiedenheit oder ein Anderssein der göttlichen Personen ausgedrückt steht, so ist diese Verschiedenheit oder dieses Anderssein zu erklären gemäß des Unterschiedes zwischen den Personen. Damit nun nicht die Einfachheit des göttlichen Wesens hinweggenommen werde, müssen Namen vermieden werden, welche Trennung und Teilung des Ganzen in seine Teile bezeichnen. Damit nicht die Gleichheit hinweggenommen werde, müssen Namen vermieden werden, welche Ungleichheit bedeuten. Damit die Ähnlichkeit nicht hinweggenommen werde, müssen Namen fortgelassen werden, welche „Fremdes“ und „Geschiedenes“ ausdrücken. Denn so sagt Ambrosius (I. de fide. c. 2.): „Im Vater und im Sohne ist keine in sich geschiedene (ober aus irgend welchen Teilen und Eigenschaften bestehende), sondern die einige Gottheit.“ Und Hilarius (I. o.): „Im Göttlichen ist nichts, was getrennt werden kann.“ Sodann muß der Irrtum des Sabellius vermieden werden. Und deshalb darf von Gott keine Einzelheit ausgesagt werden, welche die Mitteilbarkeit des göttlichen Wesens aufhöbe. Darum sagt Hilarius (7. de Trin.): „Den Vater und den Sohn als einen einzelnen (singularem) Gott bekennen, ist gottlos.“ Auch den Namen „einzig“ müssen wir vermeiden, damit wir nicht die Zahl der Personen damit verleugnen. Demgemäß sagt Hilarius (I. c.): „Von Gott wird ausgeschlossen die Einzelheit und die Auffassung des Einzigseins.“ Wir sagen jedoch „den einzigen Sohn“, weil nicht mehrere Söhne in Gott sind. Nicht aber sprechen wir zukömmlicherweise von einem „einzigen“ Gott, weil die Gottheit mehreren gemeinsam ist; deshalb sagen wir besser ein „einiger“ Gott. Wir vermeiden auch den Namen „verbunden“, „zusammengeflossen“ u. dgl., damit nicht die einige Natur als Grund der Einheit in den Personen aufgehoben werde. Sonach sagt Ambrosius (l. c.): „Nicht zusammen verbunden ist, was „Einer“ ist; und nicht vielfach kann das sein, was ohne Verschiedenheit in sich ist.“ Wir vermeiden endlich auch den Ausdruck „einsam“, damit nicht die Gesellschaft der drei Personen entfernt werde. Denn so sagt Hilarius (4. de Trin.): „Weder als einen einsamen noch als einen in Sich verschiedenen muß man Gott preisen.“ Dieser Ausdruck aber „ein Anderer“ im Masculinum deutet nur auf die Verschiedenheit der „Fiir-sich-bestehenden“ oder der Personen hin. Deshalb können wir zukömmlicherweise sagen: Der Sohn ist ein anderer wie der Vater. I. „Ein anderer“ besagt bloß den Unterschied in der Person. „Verschiedenheit“ aber deutet auf den Unterschied in der Substanz oder dem Wesen hin. Deshalb können wir im eigentlichen Sinne nicht sagen: Der Sohn ist verschieden vom Vater; wohl aber: der Sohn ist ein Anderer wie der Vater. II. Die „Differenz“ oder die Unterscheidung schließt ein den Unterschied in der Wesensform, wie den Menschen vom Tiere der Unterschied oder die „Differenz“ des Vernünftigen trennt. In Gott aber besteht nur eine Wesensform. Also kann von „Differenz“ oder Unterscheidung in diesem Sinne nicht die Rede sein. Damascenus (3. de orth. fide) jedoch gebraucht dieses Wort, um die relative Eigenheit auszudrücken, wie Vaterschaft, Sohnschaft. „Differenz“ heißt also da ebensoviel wie „Nicht-der-Andere-sein“, distinctio. III. Fremd oder anderweitig ist, was außen steht und dem betreffenden Dinge unähnlich ist. Das aber wird nicht besagt durch den Ausdruck: ein Anderer. Der Sohn ist also nicht ein „anderweitiger“, fremder, ein alienus; sondern ein anderer wie der Vater. IV. Das sächliche Geschlecht bezeichnet mehr das Unbestimmte, Gemeinsame; das männliche und weibliche aber das bestimmte und von anderem unterschiedene Sein. Deshalb wird durch das sächliche Geschlecht ganz gut das gemeinsame Wesen bezeichnet; durch die beiden anderen Geschlechter aber das in bestimmtester Weise ktraft der gemeinsamen Natur Für-sich-bestehende. So wird also auf die Frage: Wer ist dies? geantwortet: Sokrates; d. h. der Name des Für-sich-bestehenden. Und auf die Frage: Was ist es? wird mit der Angabe des gemeinsamen Wesens geantwortet, z. B. „Mensch“. Deshalb nun, weil in Gott mehrere Für-sich-bestehende vorhanden sind, sagen wir: Der Vater ist ein Anderer wie der Sohn. Und weil nur ein einziges Wesen da ist, wird dieses genannt: Eines; und nicht Einer.
