Vierter Artikel. Der Geiz ist nicht immer Todsünde.
a) Dem widerspricht Folgendes: I. Nur wegen der Todsünde ist jemand des ewigen Todes schuldig. Paulus aber sagt 1. Röm. 29.: „Voll von aller Ungerechtigkeit, Unkeuschheit, Habsucht… Wer Solches thut (32.), verdient den Tod.“ II. Die geringste Stufe im Geize besteht darin, daß jemand ungeregelterweise das Seinige behält. Das aber scheint Todsünde zu sein, nach Basilius (sup. Destruam horrea mea): „Das Brot des hungernden ist es, was du bei dir behältst; das Kleid des nackten, welches in deiner Kleider kammer ruht; das Geld des armen, was du festhältst; so vielen also thust du unrecht, wie vielen du nach deinem Vermögen geben kannst.“ Dem Nächsten aber unrecht thun ist Todsünde; denn es ist gegen die Liebe. Also ist der Geiz immer Todsünde. III. Die geistige Blindheit ist eine Strafe für die Todsünde. Chrysostomus aber sagt: „Finsternis für die Seele ist die Geldgier.“ Auf der anderen Seite sagt Augustin (de fide et oper. 16.) zu 1. Kor. 3. (Si quis aedificaverit super hoc fundamentum): „Holz, Heu, Strohhalme baut auf jener, welcher denkt an das, was der Welt angehört, wie er der Welt gefalle;“ was sich auf die Sünde des Geizes bezieht. Dieses Holz, Heu etc. aber bedeutet, daß man läßlich, nicht schwer sündigt; denn ein solcher wird selig sein, jedoch wie durch das Feuer. Also ist der Geiz manchmal eine läßliche Sünde.
b) Ich antworte, insoweit (vgl. oben) der Geiz zur Gerechtigkeit im Gegensatze stehe, sei er Todsünde; denn in diesem Falle reißt jemand durch Raub, Diebstahl etc. fremdes Gut an sich. Läßliche Sünde besteht da nur auf Grund dessen daß der betreffende Akt nicht vollendet ist, wie Kap. 66, Art. 6 ad III. gesagt wurde, als es sich um den Diebstahl handelte. Wird der Geiz angesehen als im Gegensatze zur Freigebigkeit, so ist er dann Todsünde, wenn die Regellosigkeit in der Neigung zum Gelde so groß erscheint, daß sie der heiligen Liebe vorgezogen wird; wenn jemand nämlich es nicht scheuen würde, gegen die Liebe Gottes und des Nächsten zu handeln. Reicht aber die ungeordnete Begierde nicht bis zu diesem Grade, so ist der Geiz eine läßliche Sünde.
c) I. Insoweit der Geiz als Todsünde gelten muß, wird er da aufgezählt. II. Basilius spricht davon, wenn jemand kraft der gesetzlichen Gerechtigkeit gehalten ist, von seinen Gütern den armen zu geben; sei es auf Grund des Notfalles sei es auf Grund des eigenen Überflusses. III. Die Begier nach Geld verfinstert die Seele dann, wenn sie das Licht der heiligen Liebe ausschließt; wenn sie nämlich die Liebe zum Gelde vorzieht der Liebe Gottes.
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