Sechster Artikel. Die Zuversicht gehört zur Hochherzigkeit.
a) Dies wird bestritten. Denn: I. Es kann jemand nicht auf sich selbst seine Zuversicht setzen, sondern vielmehr auf andere, nach 2. Kor. 3.: „Eine solche Zuversicht haben wir durch Jesum Christum auf Gott; nicht als ob wir genügend wären, von uns aus etwas zu denken, als ob dies aus uns wäre.“ Dies ist aber gegen de Wesenscharakter der Hochherzigkeit. II. Die Zuversicht ist der Furcht entgegengesetzt, nach Isai. 12.: „Mit Zuversicht werde ich handeln und nicht fürchten.“ Dies gehört aber viel mehr zum Bereiche der Furcht wie zur Hochherzigkeit. III. Lohn gebührt einzig der Tugend. Der Zuversicht aber gebührt Lohn, nach Hebr. 3.: „Wir sind das Haus Christi, wenn wir unsere Zuversicht und die Herrlichkeit unserer Hoffnung bis zum Ende festhalten.“ Also ist die Zuversicht eine Tugend für sich. Auf der anderen Seite scheint Cicero anstatt der Hochherzigkeit Zuversicht als so ziemlich die nämliche Tugend zu setzen.
b) Ich antworte; nach Job 11.: „Du wirst Zuversicht haben auf Grund der dir vorgelegten Hoffnung,“ scheint die Zuversicht hauptsächlich zu bezeichnen, daß jemand Hoffnung schöpfe auf Grund dessen daß ein anderer ihm etwas vorgelegt; also auf Grund des Glaubens an die Worte eine anderen, der etwas verheißt. Es findet sich aber, daß jemand an einer Meinung oder an einen Glauben festhält nicht nur auf Grund dessen, was von einem anderen gesagt; sondern auch auf Grund dessen, was in einem anderen betrachtet worden ist. Und danach kann jemand Hoffnung fassen auf irgend etwas auf Grund des in einem Betrachteten; sei dies in der eigenen Person betrachtet, wie wenn jemand, der sich gesund sieht, die Zuversicht faßt, noch lange zu leben; oder sei dies in einem anderen betrachtet, wie wenn jemand, der da sieht, sein Freund sei mächtig, die Zuversicht hat, von ihm unterstützt zu werden. Nun ist die Hochherzigkeit vorzugsweise mit der Hoffnung auf etwas schwer Erreichbares beschäftigt. Weil also die Zuversicht einschließt eine gewisse Kraft der Hoffnung, die aus dem in einer Person Betrachteten herrührt und welche die feste Meinung erweckt, man werde das erwartete Gut erreichen; daher kommt es, daß die Zuversicht zur Hochherzigkeit gehört.
c) I. Zu der Stelle: „Dem hochherzigen komme es zu, niemandes zu bedürfen“ (4 Ethic. 3.), weil dies einen Mangel bezeichnet, fügt Aristoteles hinzu: „oder kaum“. Denn das geht über den Menschen hinaus, niemandes schlechthin zu bedürfen. Erstens nämlich bedarf er des Beistandes Gottes; und dann des Beistandes anderer Menschen, da der Mensch ein seiner Natur nach zur Gesellschaft geeignetes Wesen ist, das sich nicht allein für alle Lebensbedürfnisse genügt. Insofern er also anderer bedarf, setzt der hochherzige in andere seine Zuversicht; weil dies etwas Hervorragendes für den Menschen ist, andere zu haben, die bereit sind, ihm zu helfen. Und insofern der hochherzige selber etwas kann, setzt er seine Zuversicht in sich selber. II. Die Hoffnung ist zwar direkt oder unmittelbar der Verzweiflung entgegengefetzt (I., II. Kap. 23, Art. 2; Kap. 40, Art. 4), welche den gleichen Gegenstand hat, nämlich das Gute. Vermittelst des Gegensatzes zwischen den Gegenständen jedoch ist sie entgegengesetzt der Furcht. Die Zuversicht aber schließt eine gewisse Kraft der Hoffnung ein; und steht sonach wie die Hoffnung im Gegensatze zur Furcht. Weil aber die Stärke den Geist festigt gegen die Übel, die Hochherzigkeit im Streben nach dem Guten; deshalb gehört die Zuversicht mehr zur Hochherzigkeit wie zur Stärke. Jedoch gehört die Zuversicht infolgedessen zur Stärke, weil die Hoffnung Kühnheit verursacht und somit den eigentlichen Gegenstand der Stärke herstellt. III. Die Zuversicht ist Hoffnung, welche durch eine festgehaltene Meinung gekräftigt ist. Nun kann wohl die Art und Weise, welche zu einer Hinneigung hinzutritt, der betreffenden Thätigkeit zum Lobe gereichen, daß dieselbe verdienstvoll sei; eine solche Art und Weise ist aber kein Grund, daß man eine besondere Gattung in der Tugend annehme, dies hängt vielmehr vom Gegenstande ab. Also drückt die Zuversicht keine eigene Tugend aus, wohl aber die Eigentümlichkeit einer Tugend. Und deshalb wird sie wohl als integraler, den Akt der Stärke vervollständigender Teil einer Tugend betrachtet; nicht aber als potentialer, d. h. als eigene besondere Tugend; außer in dem Falle wo sie wie bei Cicero an Stelle der Hochherzigkeit steht.
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