Siebenter Artikel. Die Sicherheit gehört zur Hochherzigkeit.
a) Dies scheint nicht. Denn: I. Die Sicherheit schließt eine gewisse Ruhe ein mit Rücksicht auf die Verwirrung, welche von der Furcht kommt. Das aber gehört zur Stärke. II. Isidor (10 Etymol. S.) sagt, „sicher sei ebensoviel wie sorglos.“ Sorglosigkeit überhaupt aber ist gegen die Tugend, nach 2. Tim. 2.: „Sei besorgt, dich selbst vor Gott als tüchtig zu erweisen.“ III. Tugend und Lohn der Tugend ist nicht dasselbe. Bei Job aber ist Sicherheit als Lohn der Tugend angegeben: „Wenn du die Sünde, die in deiner Hand ist, hinwegnimmst, dann wirst du sicher schlafen unter der Erde.“ Auf der anderen Seite sagt Cicero (1. de offic.): „Dem hochherzigen kommt es zu, weder irgendwelcher inneren Unruhe, noch einem Menschen, noch dem Glücke zu unterliegen.“
b) Ich antworte, „die Furcht bewirke, daß die Menschen sich gut raten“ (2 Rhet. 5. Arist.); insofern sie Sorge tragen, in welcher Weise dem Gefürchteten entgehen. Sicherheit nun will besagen die Entfernung dieser Sorge, welche von der Furcht herrührt. Und sonach schließt die Sicherheit eine vollendete Beruhigung der Seele von aller Furcht ein; wie die Zuversicht eine gewisse Kraft der Hoffnung einschließt. Wie aber die Hoffnung direkt zur Hochherzigkeit gehört, so die Furcht direkt zur Stärke und somit gehört die Sicherheit unmittelbar zur Stärke und nicht zur Hochherzigkeit. Jedoch muß man dabei berücksichtigen, daß, wie die Hoffnung Ursache der Kühnheit ist, so die Furcht Ursache der Verzweiflung. (I., II. Kap. Art. 2.) Wie also die Zuversicht folgegemäß zur Stärke gehört, wenn auch nicht unmittelbar, insofern sie der Kühnheit sich bedient; so gehört folgegemäß die Sicherheit zur Hochherzigkeit, denn sie vertreibt die Verzweiflung.
c) I. Die Stärke wird nicht so sehr deshalb gelobt, weil sie die Furcht ausschließt; sondern weil sie eine gewisse Festigkeit den Leidenschaften gegenüber hervorbringt. Die Sicherheit also ist nicht dasselbe wie die Stärke sondern vielmehr eine Eigentümlichkeit derselben. II. Nur dann ist die Sicherheit lobenswert, wenn sie die Sorge in dem abwirft, wo man nicht besorgt sein soll. III. In den Tugenden liegt eine gewisse Ähnlichkeit mit der künftigen Seligkeit und eine Anteilnahme an derselben. (I., II. Kap. 5, Art. 3 u. 7) Also kann eine gewisse Sicherheit schon hier die Tugend selber begleiten, wenn auch die volle Sicherheit zum vollendeten Lohne der Tugend gehört.
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