Zweiter Artikel. Der eitle Ruhm steht im Gegensatze zur Hochherzigkeit.
a) Dies wird nicht zugelassen. Denn: I. Zum eitlen Ruhme gehört, daß jemand sich rühme auf Grund dessen, was er nicht ist; und dies ist Falschheit; — oder auf Grund irdischer, hinfälliger Dinge; und das ist Begierde; — oder auf Grund des Zeugnisses der Menschen, deren Urteil in jedem Falle unzuverlässig ist; und das ist Unklugheit. Da besteht also kein Gegensatz zur Hochherzigkeit. II. Der eitle Ruhm ist der Hochherzigkeit nicht entgegengesetzt auf Grund des „zuwenig“, wie der Kleinmut, welcher dem eitlen Ruhme widerstreitet; — ebenso nicht auf Grund des „zuviel“; denn so steht der Hochherzigkeit gegenüber der Ehrgeiz und die Vermessenheit. Also besteht kein Gegensatz zwischen der Hochherzigkeit und dem eitlen Ruhme. III. Zu Phil. 2. (Nihil per contentionem) sagt Ambrosius: „Es gab unter ihnen einige widersprechende, unruhige, die da Streit machten aus eitlem Ruhme.“ Der Streit aber steht nicht im Gegensatze zur Hochherzigkeit. Auf der anderen Seite sagt Cicero (1. de offic.): „Man muß sich vor der Ruhmgier hüten; denn sie nimmt dem Geiste die Freiheit, für welche ein hochherziger Mann streiten muß.“ Also ist der eitle Ruhm entgegen der Hochherzigkeit.
b) Ich antworte, der Ruhm sei eine gewisse Wirkung der Ehre und des Lobes; denn eben weil jemand gelobt oder geehrt wird, wird er bekannt bei anderen. Und weil nun die Hochherzigkeit sich mit den Ehren befaßt, so beschäftigt sie sich auch folgerichtig mit dem Ruhme; daß nämlich, wie jemand in maßvoller Weise der Ehre gegenüber, er sich ebenso verhält dem Ruhme gegenüber. Also steht die Regellosigkeit in der Begierde nach Ruhm unmittelbar der Hochherzigkeit gegenüber.
c) I. Dies eben widerstreitet der Hochherzigkeit, daß jemand geringe Dinge soweit hochschätzt, um sich deren zu rühmen: „Dem hochherzigen erscheint gering die Ehre;“ heißt es 4 Ethic. 3. Auch was um der Ehre willen gesucht wird, wie Macht und Reichtum, wird von ihm geringgeschätzt. Ebenso widerstreitet dies dem hochherzigen, daß sich jemand rühmt dessen, was in Wirklichkeit nicht ist: „Mehr trägt der hochherzige Sorge für dieWahrheit, wie für die Meinung der Leute“ (l. c.). Dasselbe gilt vom menschlichen Lobe als dem Zeugnisse guter Werke: „Der hochherzige bekümmert sich nicht darum, daß er gelobt werde“ (I. c.). Mögen also die erwähnten Dinge anderen Tugenden immerhin entgegengesetzt sein; dies hindert nicht, daß sie der Hochherzigkeit gegenüberstehen, insoweit der hochherzige Jenes für gering achtet, was der eitle für groß hält. II. Der nach eitlem Ruhme begierige bleibt gemäß der wirklichen Sachlage unter dem hochherzigen zurück; denn er rühmt sich dessen, was dieser für gering achtet. Aber gemäß der Anschauungsweise des ruhmsüchtigen ist ein Übermaß vorhanden; denn er selber erachtet den ersehnten Ruhm für etwas Großes und strebt danach mehr als es seine Verdienste und Vorzüge mit sich bringen. III. Die Wirkung bildet nicht den Grund für den Gegensatz der Laster. Und doch widerstreitet wieder dieses selbst der Hochherzigkeit, daß jemand Streit beabsichtigt. Denn keiner streitet, wenn ihm nicht der Gegenstand des Streites als etwas Großes erscheint. Daher heißt es I. c.: „Der hochherzige ist nicht streitsüchtig, denn nichts erscheint ihm als etwas Großes.“
