Erster Artikel. Die Ruhmsucht ist eine Sünde.
a) Dagegen spricht Folgendes: I. Darin daß der Mensch nach Ruhm strebt, ahmt er Gott nach, der von den Menschen Ruhm verlangt, nach Isai. 43.: „Bringe meine Söhne von der Ferne her und meine Töchter von den Enden der Erde und jeden der meinen Namen anruft; zu meinem Ruhme habe ich ihn geschaffen.“ Gott aber nachahmen sollen wir nach Ephes. 5.: „Seid Nachahmer Gottes, wie überaus teure Söhne.“ Also ist Ruhmsucht keine Sünde. II. Durch die Ruhmsucht wird der Mensch zum Guten angeeifert. Denn Cicero (1. Tuscul.) sagt: „Alle werden zu ihren Arbeiten entzündet durch den Ruhm.“ In der heiligen Schrift ebenfalls wird der Ruhm als Lohn versprochen für gute Werke (Röm. 2.): „Denen, die gemäß der Geduld im guten Werke beharren, Ruhm und Ehre.“ Also ist in der Ruhmsucht keine Sünde. III. Cicero (2. de Inv.) sagt: „Der Ruhm ist weitverbreiteter Ruf der da mit Lob verbunden ist.“ Ebenso Augustin (3. cont. Maxim. 15.) „Der Ruhm ist weitverbreitete mit Lob verbundene Kenntnis.“ Einen guten Ruf aber zu erstreben, ist keine Sünde, sondern lobenswert, Ekkli. 41.: „Sorge für einen guten Namen;“ und nach Röm. 12.: „Wir tragen Vorforge für das Gute nicht nur vor Gott, sondern auch vor allen Menschen.“ Also ist Ruhmsucht keine Sünde. Auf der anderen Seite sagt Augustin (5. de civ. Dei 13.): Heilsamer noch sieht jener, der da erkennt, auch die Liebe zum Lobe sei Sünde.“
b) Ich antworte, der Ruhm besage eine gewisse Herrlichkeit, weshalb nach Augustin (traot. 82. in Joan.) „Ruhmreich-werden dasselbe ist wie Verherrlicht-werden.“ Herrlichkeit aber und Glanz schließen eine gewisse Offenbarmachung ein. Und deshalb besagt der Ausdruck „Ruhm“ im eigentlichen Sinne eine Offenbarmachung von etwas, was bei den Menschen als glänzend oder geziemend gilt; sei dies etwas Körperliches oder etwas Geistiges. Weil aber das, was schlechthin glanzvoll ist, von vielen und auch von fernstehenden erblickt werden kann; deshalb bezeichnet im eigentlichen Sinne der Ausdruck „Ruhm“, daß das in jemandem bestehende Gute zur Kenntnis und zur Billigung vieler kommt, wie Sallust (Catilina) sagt: „Ruhm genießen bei einem einzigen geht nicht gut an.“ Wird nun der Ausdruck „Ruhm“ im weiteren Sinne genommen, so besteht der Ruhm nicht nur in der Kenntnis vieler, sondern auch in der Kenntnis weniger oder eines einzigen oder auch des betreffenden selber allein; insofern nämlich jemand das in ihm befindliche Gute als lobwürdig betrachtet. Daß aber jemand das in ihm befindliche Gute kennt und billigt, ist nicht tadelnswert; nach 1. Kor. 2.: „Wir aber haben nicht den Geist dieser Welt empfangen, sondern einen Geist, der aus Gott ist, damit wir wissen, welche Gaben uns geworden sind.“ Auch ist es keine Sünde, daß jemand seine guten Werke anerkannt wissen will, nach Matth. 5.: „Lasset euer Licht leuchten vor den Menschen.“ Das Verlangen also nach Ruhm ist an sich nichts Fehlerhaftes; aber das Begehren nach eitlem oder leerem Ruhme ist eine Sünde, wie alles Eitle sündhaft ist, nach Ps. 4.: „Was liebt ihr die Eitelkeit und suchet nach Lüge.“ Eitel nun wird der Ruhm genannt in dreifacher Weise: 1. von seiten der Sache her; wie wenn jemand Ruhm sucht auf Grund einer Sache, die keinen Ruhm verdient, wie dies bei hinfälligen, vergänglichen Dingen der Fall ist; — 2. von seiten desjenigen her, von dem jemand Ruhm sucht; nämlich von einem Menschen, dessen Urteil ja kein zuverlässiges ist; — 3. von seiten dessen her, der Ruhm sucht; wenn er nämlich was er thut nicht zum gehörigen Zwecke, zu Gottes Ehre oder zu des Nächsten Heile, hinlenkt.
c) 1. Augustin bemerkt zu Joh. 13. (Vos vocatis me): „Gefahrvoll ist es, sich selber zu gefallen; denn man muß sich da hüten, nicht hochmütig zu werden. Der aber über Alles ist, der kann sich loben soviel Er will; Er erhebt sich nicht über sich selbst. Uns nämlich nützt es, Gott zu kennen, nicht Gott ist dies von Nutzen; und niemand kann Ihn erkennen, wenn Er sich nicht selber vorstellt, der ja Alles kennt.“ Gott also sucht seinen Ruhm nicht um Seinetwillen, sondern zu unserem Nutzen. Und so kann auch der Mensch lobwerterweise seinen Ruhm erstreben um des Nutzens der anderen willen, nach Matth. 5.: „Sie sollen sehen euere guten Werke und preisen eueren Vater, der im Himmel ist.“ II. Der Ruhm, der von Gott kommt, ist kein leerer, eitler; sondern der wahre; — und solcher Ruhm wird als Lohn versprochen. Von ihm heißt es 2. Kor. 10.: „Wer sich rühmt, der rühme sich im Herrn; denn nicht wer sich selbst empfiehlt ist erprobt, sondern wen Gott empfiehlt.“ Auch durch die Aussicht auf weltlichen Ruhm werden manche zu Tugendwerken angeeifert, wie ja auch durch das Verlangen nach zeitlichen Gütern. Wer jedoch wegen weltlichen Ruhmes thätig ist, der ist nicht wahrhaft tugendhaft, wie Augustin beweist. (5. de civ. Dei 12.) III. Daß der Mensch sich selbst kennt, gehört zur Vollkommenheit; daß er aber von anderen gekannt wird, das gehört nicht zur Vollkommenheit; und sonach muß man nicht an und für sich danach streben. Es kann jedoch danach gestrebt werden, insoweit es zu etwas nützlich ist; nämlich daß Gott von den Menschen verherrlicht werde; oder daß die Mitmenschen Fortschritte machen im Guten, wenn sie das Gute im anderen erblicken; oder daß der betreffende Mensch kraft des Zeugnisses des Lobes, das er erhalten, nun um so mehr im Guten verharrt und zu Besserem fortschreitet. Und danach kann er lobenswerterweise Sorge tragen für einen guten Namen und daß er für Gutes vorsorge vor Gott und den Menschen; nicht aber damit er am Lobe der Menschen sich eitel ergötze.
