Vierter Artikel. Der eitle Ruhm ist eine Hauptsünde.
a) Das scheint nicht. Denn: I. Der eitle Ruhm kommt immer vom Hochmute; also ist er keine Hauptsünde. II. Die Ehre scheint dem Ruhme voranzustehen, der ja nur ihre Wirkung ist. Der Ehrgeiz aber ist keine Hauptsünde; also noch weniger die eitle Ruhmsucht. III. Eine Hauptsünde muß in irgend etwas hervorragen. Der eitle Ruhm aber ragt nicht hervor als Sünde, denn er ist nicht immer Todsünde; und auch nicht mit Bezug auf seinen Gegenstand, denn der Ruhm ist etwas Hinfälliges. Auf der anderen Seite nennt Gregor (31. moral. 17.) den eitlen Ruhm eine Todsünde.
b) Ich antworte: manche setzen den Stolz als Hauptsünde an und demgemäß nicht die eitle Ruhmsucht. Gregor aber nennt den Stolz den König aller Laster und die eitle Ruhmsucht betrachtet er als Hauptsünde. Und das mit Grund: Denn der Stolz (vgl. unten Kap. 162) schließt das ungeordnete Begehren nach einem Vorrange ein. Aus jedem Gute aber, was jemand begehrt, folgt ein gewisser Vorrang. Und somit ist der Zweck des Stolzes zugleich der Zweck aller Sünden. Danach hat also der Stolz eine gewisse Kraft, alle Sünden zu verursachen und darf demgemäß nicht unter die besonderen Principien von Sünden gesetzt werden. Unter den Gütern aber, wodurch der Mensch einen gewissen Vorrang gewinnt, steht voran der Ruhm, insoweit er die Offenbarmachung der Vorzüge jemandes besagt; denn das Gute, auf dem ja die Vorzüge beruhen, wird kraft der Natur von allen geliebt und geehrt. Wie also der Mensch kraft des Ruhmes, den er vor Gott hat, einen Vorrang erreicht in göttlichen Dingen, so erreicht er durch den Ruhm vor den Menschen einen Vorrang in menschlichen Dingen. Und sonach ist der Ruhm, weil er so nahe steht dem Vorrange, welchen die Menschen im höchsten Grade erstreben, im höchsten Grade begehrbar. Da zudem aus der ungeregelten Sehnsucht danach viele Sünden entspringen, so ist die Ruhmsucht eine Hauptsünde.
c) I. Der Stolz ist der König und der Quell aller Sünden. II. Lob und Ehre haben den Ruhm zur Wirkung; und somit ist der Ruhm für sie wie der Zweck. Denn deshalb will jemand gelobt und geehrt werden, damit er bei vielen bekannt werde. III. Der eitle Ruhm hat den Charakter von etwas in erster Linie Begehrenswertem; und das genügt für die Natur einer Hauptsünde. Dazu ist nicht notwendig, daß die eitle Ruhmsucht immer Todsünde sei; denn auch aus einer läßlichen Sünde kann eine Todsünde entspringen, insofern die läßliche Sünde dazu den Weg bahnt.
