Dritter Artikel. Das Ehrbare unterscheidet sich vom Nützlichen und Ergötzlichen.
a) Dieser Unterschied wird geleugnet. Denn: I. Ehrbar wird genannt was um seinetwillen erstrebt wird. Das ist aber beim Ergötzlichen der Fall. Denn „lächerlich ist es, zu fragen, warum jemand sich ergötzen will.“ (10 Ethic. 2.) Also ist Beides dasselbe. II. Der Reichtum ist ein Gut unter dem Gesichtspunkte des Nützlichen, nach Cicero (2. de lnv.): „Das Geld erstrebt man nicht auf Grund seiner eigenen Natur und Anziehungskraft, sondern wegen des daraus zu erzielenden Nutzens.“ Der Reichtum wird aber als Ehrbarkeit bezeichnet. (Ekkli. 11, s. oben; und 13, 2.) Also ist das Ehrbare vom Nützlichen nicht unterschieden. III. Cicero beweist (2. de offic.), daß nichts nützlich sein kann, was nicht ehrbar ist; vgl. Ambrosius. (2. de offic. 6.) Auf der anderen Seite schreibt Augustin (83 Qq. 30.): „Ehrbar wird genannt, was um seiner selbst willen; nützlich, was um etwas Anderem willen begehrt wird.“
b) Ich antworte, das Ehrbare besitze eine gewisse Schönheit, weil es der Richtschnur der Vernunft entspricht. Was aber der Vernunft gemäß ist, das ist von Natur dem Menschen zukömmlich. Da nun jegliches Ding von Natur sich ergötzt an dem ihm entsprechend Zukömmlichen; so ist das Ehrbare an sich betrachtet etwas Ergötzliches, wie Aristoteles dies betreffs der Tugendthätigkeiten beweist. (1 Ethic. 8.) Nicht jedoch ist alles Ergötzliche etwas Ehrbares; denn es kann etwas ergötzen dem Sinne und nicht der Vernunft nach. Solches Ergötzliche aber sieht ab von der Vernunft des Menschen, welche denselben naturgemäß vollendet. Die an sich ehrbare Tugend ist zudem etwas Zweckdienliches, nämlich mit Rücksicht auf die Glückseligkeit. Und danach kommt ihr es zu, auch nützlich zu sein. Somit ist also dem Subjekte oder dem Träger nach es dasselbe das, von dem ausgesagt wird, es sei nützlich, ehrbar, ergötzlich. Die Aufsassung oder der Wesenscharakter aber dieser drei Eigenheiten schließt einen Unterschied ein. Denn ehrbar heißt, was in sich etwas Hervorragendes einschließt, was der Ehre an sich selber also würdig ist; eine geistige Schönheit somit; — ergötzlich wird genannt, was dem Begehren Ruhe gewährt; — und nützlich, was etwas Anderem dient. Das Ergötzliche ist aber umfassender; denn alles Nützliche und Ehrbare schließt etwas Ergötzliches in sich ein, nicht jedoch umgekehrt. (2 Ethic. 3.)
c) I. Das „Ehrbare“ wird um seiner selbst willen erstrebt mit dem vernünftigen Begehren; das „Ergötzliche“ wird um seiner selbst willen erstrebt mit dem sinnlichen Begehren. II. Der Reichtum gilt bei der Menge als etwas der Ehrenwertes; und zudem dient er als Werkzeug zur Bethätigung von Tugenden. III. Schlechthin kann nichts wahrhaft nützlich sein, was dem Ehrbaren widerstreitet; denn es entspricht nicht dem letzten Zwecke des Menschen. Es kann jedoch nützlich sein mit Rücksicht auf einen besonderen beschränkten Zweck. Ambrosius und Cicero wollen somit nicht sagen, „nützlich“ und „ehrbar“ sei wesentlich ein und dasselbe.
