Sechster Artikel. Die Kinder der Gaumenlust: läppische Freude, Unreinheit, Geschwätz, Stumpfheit des Geistes im Verstehen.
a) Diese Aufzählung ist unzulässig. Denn: I. „Läppische Freude“ folgt jeglicher Sünde, nach Prov. 2.: „Die sich freuen, wenn sie Übles gethan, und frohlocken über alles Schlechte.“ Auch Stumpfheit des Verständnisses“ findet sich bei jeder Sünde, nach Prov. 14.: „Sie irren, die da Übles thun.“ Also wird dies unzulässigerweise als Ergebnis der Gaumenlust betrachtet. II. Die Unreinheit, die am gewöhnlichen der Gaumenlust folgt, scheint das Erbrechen zu sein, nach Isai. 28.: „Alle Tische sind voll vom Erbrechen und von Schmutz.“ Das ist aber keine Sünde, sondern Strafe der Sünde; oder es ist auch ein nützlicher Rat, nach Ekkli. 31.: „Bist du gezwungen, viel zu essen, so stehe auf, gehe hinaus und erbreche dich; das wird dich erleichtern.“ III. Isidor (2. de summo Bono 42.) “betrachtet das eitle Geschwätz als Kind der Wollust. Auf der anderen Seite steht die Autorität Gregors. (Moral. 31,17.)
b) Ich antworte, die Gaumenlust bestehe so recht eigentlich im ungeregelten Ergötzen an Speise und Trank. Was also aus solch ungezügeltem Ergötzen an Speise und Trank folgt, das wird als Kind der Gaumenlust angesehen. Dies kann nun erwogen werden von seiten der Seele und von seiten des Leibes. Von seiten der Seele wird 1. die Schärfe des Geistes abgestumpft; denn die Ausdünstungen, welche von den Speisen aufsteigen, verwirren den Kopf; wogegen die Abstinenz beiträgt zur Erfassung der Weisheit, nach Ekkle. 2.: „Ich dachte in meinem Herzen, vom Weine will ich mein Fleisch abziehen und meinen Geist der Weisheit zuwenden;“ --2. wird das Begehren ein ungeregeltes, wenn einmal das Steuerruder der Vernunft nicht wirksam eingreift; mit Bezug darauf ergiebt sich die läppische Freude, alle ungeregelten Leidenschaften nämlich münden in Freude oder in Trauer; danach heißt es 3 Esdr. 3.: „Der Wein wendet jeden Geist der Sicherheit und Annehmlichkeit zu;“ — 3. wird das Sprechen ein ungeordnetes; und da ergiebt sich das eitle Geschwätz, welches Gregor kennzeichnet mit den Worten (pastor. 3, 20.): „Wenn nicht die der Gaumenlust ergebenen die Geschwätzigkeit beherrschte, so würde die Zunge jenes reichen in der Hölle nicht in besonderer Weise brennen;“ — 4. die äußere Thätigkeit wird eine ungeordnete; und danach ergeben sich aus viel Essen und Trinken Lächerlichkeiten: Witze, die das Lachen herausfordern. Die beiden letzten Sünden können auch zusammen auf Worte bezogen werden, so daß die Geschwätzigkeit sich auf die unnützen Worte bezöge und die Lächerlichkeit auf die unehrbaren. Von seiten des Körpers ist die Unreinheit eine Tochter der Gaumenlust. Sie kann aufgefaßt werden als ungeregelte Entfernung von jedwedem überflüssigen; oder auch insbesondere als Entfernung des Samens.
c) I. Die Freude an dem Sündenakte folgt jeder betreffenden Sünde. Aber die läppische d. h. ganz und auch äußerlich regellose Freude folgt zumal aus der Gaumenlust. Auch die Stumpfheit des Geistes, soweit es auf die innere freie Auswahl ankommt, wird gemeinhin in jeder Sünde gefunden; soweit sie aber Schwierigkeit im Verstehen, im Auffassen bedeutet, ist sie eine Folge des zu reichlichen Essens und Trinkens. II. Das Erbrechen kann nützlich sein nach zu vielem Essen; sündhaft aber ist es, daß jemand wegen zu vielen Essens und Trinkens sich diesem Bedürfnisse unterwirft. Ohne Schuld kann man durch Medizin das Erbrechen verursachen, um Kränklichkeit oder dergleichen zu beseitigen. III. Oben beantwortet.
