Zweiter Artikel. Der heilige Geist geht vom Sohne aus.
a) Dagegen spricht: I. Nach Dionysius sollen wir nichts über Gott zu sprechen wagen, was nicht in der Schrift steht (I. de div. nom.). In der Schrift aber steht es nicht ausgedrückt, daß der heilige Geist vom Sohne ausgehe, sofern nur sein Ausgehen vom Vater ist da ausdrücklich erwähnt: „Den Geist der Wahrheit, der vom Vater ausgeht,“ heißt es Joh. 15, 26. Also. CX. II. Im Konstantinopolitanischen Symbolum lesen wir (can. 7.): „Wir glauben an den heiligen Geist, den Herrn, der da lebendig macht und vom Vater ausgeht und mit dem Vater und dem Sohne anzubeten ist.“ Dem durfte aber in keiner Weise hinzugefügt werden „und vom Sohne“ (ausgeht), filioque; vielmehr scheinen jene, die es gethan, des Anathems schuldig. III.Damascenus sagt (I. de fide orthod. 11.): „Wir sagen, der hellige Geist sei aus dem Vater und wir nennen Ihn den Geist des Vaters; wir sagen aber nicht, der heilige Geist sei aus dem Sohne und wir nennen Ihn trotzdem den Geist des Sohnes.“ Also geht der heilige Geist nicht vom Sohne aus. IV. Nichts ruht in dem, wovon es ausgeht. Der heilige Geist aber ruht im Sohne. Denn so heißt es in den Alten des heiligen Andreas: „Der Friede sei mit euch und mit allen, welche glauben an Einen Gott den Vater, und an den Einen Sohn unseren Herrn Jesum Christum, und an den Einen heiligen Geist, der vom Vater ausgeht und im Sohne bleibt.“ V. Der Sohn geht aus als Wort. Unser Geist scheint aber nicht von unserem Worte auszugehen. Also der heilige Geist geht nicht vom Sohne aus. VI. Der heilige Geist geht in aller Vollkommenheit vom Vater aus. Also ist ein Ausgehen vom Sohne ganz überflüssig. VII. In den beständigen Dingen ist kein Unterschied zwischen Können und Thatsächlichsein; was sie sein können, das sind sie, sonst wären sie nicht beständig. Der heilige Geist aber kann unterschieden werden vom Sohne, wenn Er auch nicht von Ihm ausgeht. Denn so sagt Anselm (de processus bpitizus sancti): „Vom Vater haben allerdings das Sein sowohl der Sohn wie der heilige Geist, aber in verschiedener Weise; der Eine hat es dadurch daß Er erzeugt ist, der andere dadurch daß Er „ausgeht“; und so sind beide unterschieden voneinander. Denn wenn selbst durch nichts Anderes Sohn und heiliger Geist mehrere Personen wären, durch dieses allein würden sie voneinander unterschieden sein.“ Also ist der heilige Geist unterschieden vom Sohne und geht nicht von Ihm aus. Aufder anderen Seite sagt Athanasius im Symbolum: „Der heilige Geist vom Vater und dem Sohne, nicht gemacht, nicht geschaffen, sondern ausgehend.“
b) Ich antworte, es sei unbedingt notwendig, daß der heilige Geist vom Sohne sei. Denn wenn Er nicht von Ihm wäre, so würde Er in keiner Weise von Ihm unterschieden werden können. Es ist nämlich unmöglich, daß die göttlichen Personen durch etwas dem Wesen Zukommendes voneinander unterschieden werden; sie wären dann nicht eines einigen Wesens. Also dürfen sie nur kraft der Relationen unterschieden sein. Die Relationen aber oder Beziehungen können nur in dem Falle den Unterschied für die Personen bilden, daß sie zueinander im Gegensatze stehen. Das erhellt daraus. Der Vater hat zwei Relationen, durch deren eine Er zum Sohne bezogen wird, durch die zweite zum heiligen Geiste. Diese beiden Relationen im Vater aber bilden nicht zwei Personen, sondern sind in ein und derselben Person, weil sie zu einander in keinem Gegensatze stehen. Wenn nun im Sohne und im heiligen Geiste nur zwei Relationen gefunden würden, durch welche jeder von beiden zum Vater bezogen würden, so wären diese zwei Relationen nicht im relativen Gegensatze zu einander; wie ja auch nicht jene zwei Relationen, durch welche der Vater zu ihnen, zu „Sohn“ und „heiliger Geist“, bezogen wird, einander gegenüberstehen. Sowie also die Person des Vaters eine einzige ist mit ihren zwei Relationen, so wären der Sohn und der heilige Geist ebenso gut eine einzige Person, welche durch zwei Relationen zum Vater bezogen würde, ohne daß diese Relationen zu einander im Gegensatze ständen. Das aber ist häretisch und räumt den Glauben an die Dreieinigkeit hinweg. Es ist also notwendig, daß Sohn und heiliger Geist durch einander entgegengesetzte Relationen zu einander bezogen werden. Es können nun in Gott keine einander entgegengesetzte Relationen bestehen außer auf Grund des Ursprungs. (Kap. 28, Art. 4.) Solche Relationen aber stehen im Gegensatze wie Princip zu dem vom Princip her Abgeleiteten. Also muß entweder der Sohn vom heiligen Geiste sein, was keiner sagt; oder der heilige Geist vom Sohne, was wir bekennen und wozu die Vernunft selber führt. Denn es ist oben gesagt worden, daß der Sohn hervorgeht gemäß der Weise der Vernunft als Wort; der heilige Geist gemäß der Weise des Willens als Liebe. Es ist aber notwendig, daß die Liebe vom Worte ausgeht. Denn wir lieben nur, was wir kennen; nämlich was wir durch die Vernunft auffassen. Und somit ist offenbar, daß der heilige Geist vom Sohne ausgeht. Die gewöhnliche Ordnung der Dinge zeigt dies ebenfalls. Denn wenn von einem eine Mehrheit ausgeht, so geschieht dies mit einer gewissen Ordnung in der Mehrheit, außer etwa in solcher Mehrheit von Dingen, wo das eine vom anderen nur wegen des Stoffes verschieden ist; wie der Schmid viele Messer hervorbringt, welche nur durch den Stoff verschieden sind, ohne daß in den einzelnen Messern selber eine von der Vernunft gewollte Ordnung sich vorfände. In anderen Dingen, die nicht bloß stofflich voneinander verschieden sind, wird aber immer eine gewisse Ordnung beobachtet in der Hervorbringung derselben. Und so offenbart sich auch in der Ordnung, in welcher die geschaffenen Dinge zu einander stehen, die Weisheit Gottes. Gehen also vom Vater zwei Personen aus, so muß zwischen diesen zweien eine gewisse Ordnung in ihrem Verhältnisse zu einander sich vorfinden. Eine andere Ordnung kann aber nicht gefunden werden, wie die der Natur, kraft deren das eine vom anderen ist. Somit kann gar nicht gesagt werden, der Sohn und der heilige Geist gingen so vom Vater aus, daß keiner von ihnen vom anderen ausginge; es müßte denn in ihnen bloß ein materieller zufälliger, dem Stoffe entsprechender Unterschied sein, was unmöglich ist. Deshalb gestehen auch die Griechen eine gewisse Ordnung zu zwischen dem Sohne und dem heiligen Geiste. Sie sagen nämlich, der heilige Geist sei der Geist des Sohnes und Er sei vom Vater durch den Sohn. Und manche sagen. Er sei vom Sohne oder fließe daraus, nicht aber, Er „gehe aus“ vom Vater. Doch dies kann nur aus Unwissenheit und mit schlechtem Glauben gesagt werden. Das Wort „Ausgehen“ ist nämlich unter allen Worten, welche den Ursprung kennzeichnen, das gemeinsamste. Denn wir bedienen uns desselben zur Bezeichnung jeglicher Art von Hervorgehen; wie die Linie vom Punkte ausgeht, der Strahl von der Sonne, der Strom von der Quelle. Welcher Ausdruck auch immer deshalb gebraucht wird, sei es „Sein vom Sohn“ oder „Sein durch den Sohn vom Vater“; immer ist es eingeschlossen, daß der heilige Geist „ausgeht“ vom Sohne.
c) I. Allerdings findet sich in der heiligen Schrift nicht der Ausdruck; vom Sohne, filioque, wohl aber ganz klar der Sinn. So sagt der Herr (Joh. 16, 14.): „Jener (der Geist der Wahrheit) wird mich verherrlichen, weil Er vom Meinigen erhalten wird.“ Im allgemeinen muß beobachtet werden, daß alles, was die heilige Schrift vom Vater sagt, auch vom Sohne gilt, ausgenommen die Aussagen, welche den Vater gemäß den einander entgegengesetzten Relationen, also auch gemäß der Person, vom Sohne unterscheiden. Denn wenn Matth. 11, 27. gesagt wird: „Niemand kennt den Sohn außer der Vater;“ so ist damit nicht ausgeschlossen, daß der Sohn Sich selber erkennt. Wenn also in der Schrift gesagt wird, der heilige Geist ginge vom Vater aus, so ist doch, mag auch hinzugefügt werden, „vom Vater allein,“ nicht ausgeschlossen, daß Er auch vom Sohne ausgeht; denn mit Rücksicht darauf steht der Vater und der Sohn in keinerlei relativem Gegensatze zu einander. Dies ist der Fall nur dann, wenn der Vater als Vater dem Sohne gegenübersteht. II. In jedem Konzil ist ein Symbolum gemacht worden wegen der speciellen Verurteilung eines Irrtums. Das nachfolgende Konzil also macht kein anderes Symbolum wie das vorhergehende, sondern es erklärt durch einige ausdrücklichere Worte das Verständnis des vorhergehenden und wendet es auf die Zurückweisung des Irrtums an. So wird im Konzil von Chalcedon gesagt: „Die Väter, welche im Konzil von Konstantinopel vereinigt waren, haben die Lehre vom heiligen Geiste erklärt.“ Damit behaupteten sie nicht, daß diese Väter etwas mehr lehrten, wie im Konzil von Nicäa gelehrt worden war; sondern sie wendeten das Verständnis des Konzils von Nicäa in ausdrücklichen Worten an auf die Häretiker. Vorher also war dieser Irrtum, daß der heilige Geist nicht vom Sohne ausgehe, nicht öffentlich gelehrt worden; und somit wurde er auch nicht mit ausdrücklichen Worten zurückgewiesen. Nachdem aber in einem orientalischen Konzil der betreffende Irrtum öffentlich aufgestellt worden war, wurde die Wahrheit ausdrücklich im Symbolum durch das Hinzufügen des filioque kraft der Autorität des römischen Papstes, durch die auch alle anderen Konzilien berufen und bestätigt worden waren, für die ganze Kirche festgestellt. Wird aber gesagt, daß der heilige Geist vom Vater ausgeht, so ist darin schon enthalten, daß Er auch vom Sohne ausgeht. III. Die Nestorianer haben zuerst geläugnet, daß der heilige Geist vom Sohne ausgeht, wie aus einem vom Ephesinischen Konzil verurteilten Symbolum der Nestorianer erhellt. Und diesen Irrtum hat dann der Nestorianer Theodoricus gelehrt und mehrere nach ihm, worunter auch Damascenus. Darin darf also letzterem nicht gefolgt werden. Einige jedoch meinen, daß Damascenus in jener Stelle das Hervorgehen des heiligen Geistes vom Sohne weder behauptet noch leugnet. IV. Dadurch daß vom heiligen Geiste gesagt wird, Er ruhe oder bleibe im Sohne, ist nicht ausgeschlossen, daß Er von Ihm ausgeht; wird ja doch vom Sohne auch gesagt, Er bleibe im Vater, und trotzdem geht Er von Ihm aus. Der heilige Geist ruht eben im Sohne, wie die Liebe des Liebenden ruht im geliebten Gegenstande. Oder es kann auch von der menschlichen Natur Christi gelten, wie es in Joh. 1, 33, heißt: „Über wen du sehen wirst den heiligen Geist Herabsteigen und bleiben, Er tauft im heiligen Geiste.“ V. Vom äußeren gesprochenen Worte geht allerdings kein Geist aus. Nicht aber nach der Ähnlichkeit dieses Wortes wird das „Wort“ in Gott genommen, außer etwa figürlich, sondern nach der Ähnlichkeit mit dem inneren Worte des Geistes oder des Herzens, von dem immer die Liebe ausgeht. VI. Dadurch eben daß der heilige Geist in vollkommenster Weise vom Vater ausgeht, ist es weit entfernt, überflüssig zu sein; vielmehr ist es deshalb durchaus notwendig, daß Er auch vom Sohne ausgeht. Denn eine einige Kraft ist in Vater und Sohn. Was also vom Vater ist, das muß auch vom Sohne sein; ausgenommen was der persönlichen Eigenheit des Sohnes widerspricht, dem es nicht zukommt, von Sich zu sein, sondern vom Vater. VII. Der heilige Geist ist unterschieden der Person nach vom Sohne, Weil der Ursprung des einen verschieden ist vom anderen. Und dieser Unterschied ist eben schon darin, daß der heilige Geist von Vater und Sohn ist; der Sohn aber nur vom Vater.
