Achter Artikel. Der Ehebruch ist eine Gattung der Wollust.
a) Dies scheint nicht. Denn: I. Derjenige bricht die Ehe, welcher mit einer weiblichen Person geschlechtlich zusammenlebt, trotzdem er eine Frau hat. (Au. sup. Exod. Qq. 71) Diese andere Person aber kann Jungfrau sein oder eine feile Dirne oder die Frau eines anderen. Also besteht da keine Sünde, die von den anderen Arten Wollust verschieden wäre und somit ist der Ehebruch keine besondere Gattung Wollust. II. Hieronymus (1. cont. Jovinian.) sagt: „Darauf kommt es nicht an, aus welcher Ursache jemand Thorheiten begeht, so daß der Pythagoräer Sirtus sagt: Ehebrecher ist auch, wer seine Frau zu heftig liebt.“ In jeder Wollust aber ist die Liebe heftiger als sich gebührt. Also ist Ehebruch in jeder Wollust. III. Sowohl in der Verführung wie im Ehebruche wird eine weibliche Person geschlechtlich verletzt, welche in der Gewalt eines anderen ist. Es ist also in beiden Sünden der nämliche Wesenscharakter der Häßlichkeit; somit fallen sie in eins zusammen. Auf der anderen Seite sagt aus Augustin (de bono conjug. c. 4.) der Papst Leo (cap. Ille autem 32 Qq. 5.): „Ehebruch wird begangen, wenn, sei es infolge des Antriebes der eigenen Begierde sei es auf Grund beiderseitiger Zustimmung der eine mit einer anderen gegen das eheliche Abkommen geschlechtlich zusammenlebt.“
b) Ich antworte, Ehebruch sei ein Brechen der Ehe. Darin wird nun gegen die Keuschheit und das Wohl der menschlichen Zeugung in doppelter Weise gesündigt: 1. insofern man mit einer Frau sich geschlechtlich verbindet, welche man nicht geehelicht hat, und somit gegen das Wohl des zu erzeugenden Kindes gesündigt wird; — 2. insofern man mit einem Weibe, die einem anderen ehelich verbunden ist, geschlechtlich zusammenlebt und somit das Wohl fremder Nachkommenschaft benachteiligt. Das gilt in gleichem Maße sowohl vom verheirateten Manne wie von der verheirateten Frau. Deshalb sagt Ekkli. 23, 32.: „Jedes Eheweib, das ihren Mann verläßt, wird sündigen. Denn zuerst glaubte sie nicht dem Gebote des Höchsten (welches vorschreibt: du sollst nicht ehebrechen); zweitens sündigte sie gegen ihren Mann (denn damit wird es zweifelhaft, ob die Nachkommenschaft diesem zugehört); drittens hat sie im Ehebruche Unzucht getrieben und aus einem anderen Manne sich Kinder erzeugt.“ Das Erste davon ist allen Todsünden eigen; die beiden letzteren Gesichtspunkte finden sich nur im Ehebruche. Also hat der Ehebruch eine eigene sündige Häßlichkeit und ist somit eine eigene Gattung Wollust.
c) I. Wer eine Frau hat und mit einer anderen geschlechtlich verkehrt, dessen Sünde kann von seiner Seite her benannt werden; und so ist es immer Ehebruch, denn er thut gegen die eheliche Treue. Oder sie kann von seiten der Frau her benannt werden; und so ist sie Ehebruch, wenn diese ebenfalls verheiratet ist, oder Verführung, wenn sie Jungfrau ist, je nach den Verhältnissen und der Lage der Frau, denn nach diesem letzteren Gesichtspunkte bestimmt man zumal die Gattungen in der Wollust. II. Die Ehe hat zum besonderen Zwecke das Wohl der menschlichen Nachkommenschaft. Der Ehebruch aber steht deshalb insbesondere zur Ehe im Gegensatze, insoweit derselbe die eheliche Treue verletzt, welche der eine Teil dem anderen schuldet. Und weil jener, der seine Frau zu heftig liebt, gegen das von der Ehe bezweckte Wohl sich verfehlt, indem er ungebührenderweise derselben sich bedient, so kann auch er Ehebrecher genannt werden, obgleich er seiner Frau die Treue nicht bricht; mehr aber jener, der zu heftig eine fremde Frau liebt. III. Die Gattin ist als mit dem Manne ehelich verbunden in der Gewalt des Mannes; die Jungfrau aber steht in der Gewalt des Vaters als eine ehelich durch den Vater zu verbindende. Anders also richtet sich der Ehebruch gegen das von der Ehe bezweckte Gut und anders die Ver führung; und so sind da verschiedene Gattungen Wollust. Übrigens wird im dritten Teile noch vom Ehebruche eigens gehandelt werden.
