Fünfter Artikel. Die Grade des Zornes bestimnrt Aristoteles (4 Ethic. 5.) richtig, indem er sagt, einige zornige seien hitzig, andere bitter, andere nachtragend.
a) Dies scheint von keinerlei Bedeutung. Denn: I. Bittere im Zorne nennt Aristoteles jene, „die nicht leicht vom Zorne ablassen.“ Das betrifft aber nur den Umstand der Zeit. II. Nachtragend nennt er jene, „die nicht ablassen, bis Bestrafung erfolgt ist.“ Dies betrifft ebensalls nur die Zeit. III. Der Herr selbst bestimmt Matth. 5. die Grade des Zornes gemäß dem Schweigen, dem Worte „Racha“ und dem Worte „Narr“, — was mit den obigen Graden nicht stimmt. Auf der anderen Seite nennt Gregor drei Gattungen Zornmutes: den Zorn, die Thorheit, die Wut. Dem „Zorne“ teilt er schnelle Beweglichkeit zu und dies stimmt mit den „hitzigen“; der „Thorheit“ langer Dauer und das stimmt mit den „bitteren“; der „Wut“ die Einhaltung der geeigneten Zeit für die Rache, was den „nachtragenden“ eigen ist. Damit stimmt zudem überein Damascenus. (2. de orth. fide 16.)
b) Ich antworte, Gregor von Nyssa und Damascenus beziehen diese Einteilung zumal auf die Leidenschaft des Zornes. (Vgl. I., II. Kap. 46, Art. 8.) Mit Rücksicht auf die Sünde des Zornes berücksichtigen diese Grade zuvörderst den Ursprung des Zornes. Das geht zuvörderst auf die „hitzigen“, die leicht und aus beliebigen Ursachen sich erzürnen. Dann wird berücksichtigt die Dauer des Zornes und dies in zweifacher Weise; insoweit nämlich die Ursache des Zornes, die Beleidigung, groß war, deshalb lange im Gedächtnisse haftet und Trauer verursacht; das geht auf die „bitteren“; — und insofern die Rache oder Vergeltung selbst in Betracht kommt, deren geeignete Zeit jemand sucht; das geht auf die „nachtragenden“.
c) I. In diesen Gattungsstufen des Zornes kommt nicht so sehr die Zeit in Betracht wie die Leichtigkeit, sich zu erzürnen. II. Die „bitteren“ haben einen andauernden Zorn, weil die innere Ursache, die Trauer über das zugefügte Leid, länger dauert und sie ihren Zorn nicht äußerlich bethätigen können. Die „nachtragenden“ aber haben lang andauernden Zorn wegen des Begehrens nach Rache und somit ruht ihr Zorn nur mit der Ausübung der Vergeltung oder Rache. III. Die Stufen bei Matth. 5. werden nicht nach den Stufen oder Gattungen des Zornes bezeichnet, sondern gemäß der Entwicklung der menschlichen Thätigkeit. Denn zuerst wird etwas im Herzen erfaßt; dafür steht: „Wer seinem Bruder zürnt.“ Dann wird der Zorn in einigen äußeren Zeichen offenbar, ehe er seine Wirkung erzielt; dafür steht: „Wer ihm (dem Nächsten) sagt Racha,“ was ein unartikulierter Laut ist. Endlich erhält der Zorn seine Wirkung unter dem Gesichtspunkte der Vergeltung. Der geringste Nachteil nun, den man dem Nächsten zufügen kann, besteht in bestimmten ausdrücklichen Worten; dafür steht: „Wer ihm sagt Narr.“ Das Eine also fügt immer zum Anderen noch ein Übel hinzu. Ist demnach das Erste, die Auffassung im Herzen, bereits Todsünde; so ist dies um so mehr das Zweite und Dritte. So entspricht demgemäß jedem Grade etwas zur ewigen Verdammnis Gehöriges; und zwar das Geringste dem Erstgenannten: „das Gericht,“ wo (Aug. I. de serm. Dom. 9.) der Verteidigung stattgegeben wird. Dem Zweitgenannten entspricht der „Rat“, wo die Richter untereinander sich begleichen. Dem Drittgenannten entspricht die „Hölle“, nämlich die unzweifelhafte Verdammnis.
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